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Gnadentod

Gnadentod

Titel: Gnadentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Töne dunkler, aber immer noch blond, und fielen ihm in einem dichten Pony tief in die Stirn und hinten bis auf die Schultern. Diesmal stellte er sich der Linse mit zugewandtem Gesicht, selbstbewusst - mehr noch: dreist. Zu diesem Zeitpunkt, behauptete Fusco, hatte Rushton einen Mord begangen, und niemand war ihm auf die Schliche gekommen.
    Unterhalb der Fotos aus seiner Kindheit war Mitchells bärtiges Gesicht auf einem Ausweis von Great Lakes Security abgebildet. Der Bart war dicht und hellbraun, sodass er einen Kontrast zu Mitchells schmutzig-blondem Haupthaar bildete. Er verlief von oberhalb seiner Wangenknochen in einer nur von einem Mund unterbrochenen Bahn bis hinab zu seinem obersten Hemdknopf. Mitchell trug seine Haare sogar noch länger und straff zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden.
    Die blassen Augen waren schmaler, härter. Besondere Kennzeichen: einsachtundsiebzig, einundachtzig Kilo, blondes Haar, blaue Augen.
    Die unterste Reihe wies zwei Bilder von Dr. Michael Burke auf. Im ersten, das von seinem New Yorker Führerschein stammte, trug er noch den Bart, der zu diesem Zeitpunkt zu einem zwei Zentimeter langen dunklen Pelz zurechtgestutzt war und ihm gut zu Gesicht stand. Dasselbe galt für Burkes Frisur - ein Messerschnitt, geföhnt, bis knapp über die Ohren reichend. Burke war inzwischen Anfang dreißig, und sein Gesicht zeigte, dass er allmählich in die mittleren Jahre kam: Das Haar hatte sich gelichtet, um den Mund herum sah man die ersten Falten, und unter den Augen war die Haut leicht angeschwollen. Alles in allem ein angenehm aussehender Mann, äußerst unauffällig.
    Diesmal lauteten die Maßangaben einsfünfundsiebzig und fünfundsiebzig Kilo.
    »Er ist drei Zentimeter geschrumpft und wiegt sechs Kilo weniger?«, sagte ich.
    »Oder hat bei der Zulassungsstelle falsche Angaben gemacht«, sagte Fusco. »Tut das nicht jeder?«
    »Die anderen Leute reduzieren ihr Gewicht, aber in der Regel behaupten sie nicht, kleiner zu sein.«
    »Michael ist nicht andere Leute«, sagte Fusco. »Sie werden auch bemerken, dass im Führerschein die Augenfarbe mit braun angegeben ist. In Wahrheit sind sie aber blaugrün. Offenbar hat er sie an der Nase herumgeführt - entweder weil er etwas zu verbergen hatte, oder weil er sich einen Spaß machen wollte. Auf seinem Unitas-Ausweis steht wieder blau.«
    Ich musterte das letzte Foto.
    Dr. med. Michael F. Burke, Abt. für Unfallmedizin.
    Das glatt rasierte Gesicht mit dem kantigen Kinn war etwas voller, das Haar lichter, aber etwas länger und flacher am Kopf anliegend.
    Ich verglich die letzte Aufnahme auf der Suche nach einer Gemeinsamkeit mit Grant Rushtons Highschool-Foto. Die Knochenstruktur war ähnlich, vermutete ich. Die Augen hatten die gleiche Form, aber selbst dort hatte die Schwerkraft genügend geleistet, um eine direkte Identifizierung unmöglich zu machen. Huey Mitchells Bart verbarg alles. Rushtons ponyverhangene und Burkes freie Stirn verliehen dem Rest der Gesichter ein völlig unterschiedliches Aussehen.
    Fünf Gesichter. Ich hätte nie im Leben eins mit einem der anderen in Verbindung gebracht.
    Milo schloss die Mappe und legte sie in den Ordner zurück. Fusco hatte auf irgendeine Reaktion gewartet. Als sie nicht kam, umschloss er mit unglücklicher Miene sein Glas.
    »Sonst noch etwas?«, fragte Milo.
    Fusco schüttelte den Kopf. Er entfaltete eine Papierserviette, wickelte sein halb aufgegessenes Sandwich darin ein und steckte es in eine Tasche seines Sportjacketts.
    »Haben Sie Ihr Lager im Federal Building aufgeschlagen?«, sagte Milo.
    »Offiziell schon«, sagte Fusco, »aber ich bin meistens unterwegs. Ich habe dort eine Nummer angegeben, die automatisch auf meinem Pieper landet. Mein Faxgerät ist vierundzwanzig Stunden am Tag auf Empfang. Sie können sich jederzeit bei mir melden.«
    »Unterwegs wohin?«
    »Wo immer der Job mich hinführt. Ich bin, wie gesagt, noch mit anderen Fällen beschäftigt, obwohl Burke mir am meisten im Kopf herumgeht. Heute Abend fliege ich nach Seattle, um zu sehen, ob ich die Uni in Washington nicht dazu bewegen kann, mir etwas mehr entgegenzukommen. Außerdem möchte ich mir diese ungelösten Morde ansehen, was ein kleines bisschen heikel ist. Bei all der Publicity, die der Nordwesten als Serienmörder-Zentrum der Welt erhält, und wo es immer noch keine Lösung im Fall des Green-River-Killers gibt, mögen sie es nicht so gern, wenn man sie an offene Probleme erinnert.«
    Milo sagte: »Bon voyage.«
    Fusco

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