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Gnosis

Gnosis

Titel: Gnosis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Fawer
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Arbeiten durchsehen, und wie es scheint, haben Sie mal wieder das Seitenlimit überschritten. Schade, dass Sie sonst nicht auch so redselig sind wie bei schriftlichen Arbeiten.»
    «Ich schreibe eben gern.»
    «Nun, da haben Sie Glück, dass ich gern lese. Jetzt aber los. Wenn Mr. Grimes zu lange allein gelassen wird, steckt er wahrscheinlich noch die Schule in Brand.»
    «Ja, Sir. Bis morgen.»
    «Schönen Tag noch, Mr. Cohen.»
    Elijah ging zur Tür, dann drehte er sich noch einmal um. «Warum siezen Sie Ihre Schüler eigentlich?»
    «Warum siezen Sie denn Ihre Lehrer?»
    Elijah zuckte mit den Schultern. «Es ist eine gesellschaftliche Norm.»
    Mr. Kuehl lachte. «Ja, da haben Sie wohl recht. Aber warum gibt es diese gesellschaftliche Norm? Was vermittelt man, wenn man jemanden siezt?»
    «Respekt?»
    «Fragen Sie mich das, oder sagen Sie es mir?»
    «Ich sage es Ihnen», antwortete Elijah mit Nachdruck.
    «Richtig. Da mich meine Schüler respektieren, sollte ich diesen Respekt auch erwidern.»
    «Sie meinen also, die anderen Lehrer respektieren ihre Schüler nicht?»
    «Das habe ich nicht gesagt», gab Laszlo zurück. «Aber es ist eine interessante Schlussfolgerung.»

KAPITEL 5
     
     
    Jill wandte sich um, als der Schlüssel ins Schloss geschoben wurde. Ihre Augen brannten, obwohl die Tränen schon lange versiegt waren. Sie atmete die muffige Kellerluft tief ein und zuckte zusammen. Ihr Hals tat weh vom Schreien.
    Die schwere Holztür ging auf und knarrte in den alten Angeln. Grelles Licht blendete aus dem Flur, dann knipste Pater Sullivan die Lampe an. Instinktiv versuchte Jill, sich die Augen zuzuhalten, doch der Strick um ihre Handgelenke schnitt schmerzhaft in die Haut.
    Pater Sullivan kam herein und prüfte die Knoten, zog den Strick fester. Jill holte Luft und wimmerte.
    «Es könnte vielleicht wehtun», sagte Pater Sullivan. «Aber hinterher … du wirst froh sein, wenn ich es getan habe.»
    Er starrte sie an. Das silberne Kruzifix an seinem Hals baumelte direkt über ihr. Dann drehte er sich um und betete. Er legte sich ein langes, rotes Tuch um die Schultern. Als er schließlich vor ihr stand, hielt er ein Weinglas in der Hand. Es sah aus, als wäre Blut darin.
    «Es ist so weit.»
    Die Tür knarrte, und ein zweiter Mann trat ein. Jill hatte ihn noch nie gesehen. Er war klein und stämmig, mit dicken, kräftigen Armen. Er sah auf sie herab, mit erschrockenem, aber beherztem Blick. Er zitterte – genau wie sie. Allerdings nicht vor Angst, sondern vor Erregung.
    Jill fing an zu weinen.
     
    Pater Sullivan betrachtete das schluchzende Kind. Sein Herz fühlte sich an, als sollte es bersten. Noch nie in seinem Leben hatte er sich so sehr gefürchtet. Er hielt das Weinglas fest in der Hand und betrachtete, was dort an der kahlen Wand hing – ein kleiner, bronzener Christus am Kreuz. Bei dem Anblick fasste er Mut.
    Dennoch war er froh, dass Pater McKinney bei ihm war. Pater Sullivan rechnete damit, dass er McKinneys kräftige Hand brauchen würde. Der junge Priester mochte zwar nur einen Meter fünfundsechzig groß sein, doch besaß er die Statur eines Footballspielers – als hätte er einmal eins fünfundneunzig groß werden sollen, bevor Gott ihn mit einem Hammer zurechtgestutzt hatte.
    Sullivan schloss die Augen und versuchte, sich die Passagen aus dem Rituale Romanum in Erinnerung zu rufen, die er am Abend zuvor gelesen hatte. Aber er dachte immer nur an jenes unheilvolle Wort, das er dort gelesen hatte.
    Das Wort setzte sich aus der griechischen Präposition ek und dem Verb horkizo zusammen, was so viel hieß wie «einen Geist unter Eid stellen» – ein Wesen soll durch die Anrufung einer höheren Macht gebunden und dadurch gezwungen werden, sich jedem Befehl zu unterwerfen.
    Doch war der Befehl stets derselbe: Hinfort mit dir!
    Pater Sullivan hatte nie viel über dieses Wort nachgedacht, doch jetzt lastete es schwer auf ihm.
    Exorzismus.

KAPITEL 6
     
     
    «Alter Schwede, du solltest echt mal Winter fragen, ob sie mit dir ausgeht!»
    «Geht’s noch lauter?», sagte Elijah und knallte seinen Spind zu. «Irgendwo in China gibt es bestimmt noch einen alten Mann, der dich nicht gehört hat.»
    «Entspann dich», sagte Stevie und warf einen kurzen Blick auf das Gedränge im Flur. «Kein Schwein interessiert sich für dein Liebesleben.»
    «Außer dir.»
    «Irgendwer muss sich ja darum kümmern. Wenn du so weitermachst, wirst du ewig Jungfrau bleiben.»
    «Stevie!», zischte Elijah und boxte seinen

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