Go West - Reise duch die USA
dahinten? Das sind Ibisse. Und ein Stück weiter rechts sind Flamingos.«
Die Ibisse begleiten einen in Florida genau wie die Pelikane, die mit ihrer unglaublich gelassenen Art überall im Land auf den Stegen sitzen, in Formation über einem dahinschweben oder sogar dicht neben dir mit angelegten Flügeln wie Kampfflieger ins Meer stürzen, um sich einen Fisch zu angeln. Flamingos in freier Wildbahn hatte ich noch nie gesehen. Sie waren ein gutes Stück von uns entfernt, aber ich konnte erkennen, dass sie mit ihren sonderbar geformten Schnäbeln das Wasser durchsiebten.
»Cool!«, entfuhr es mir.
»Sie sind scheu«, meinte Tom. »Eigentlich müssten sie mich kennen, so oft wie ich hier bin, aber sie bleiben immer in ziemlicher Entfernung. Na kommt, ein kleines Stück kommen wir hier noch voran, dann geht es nur noch mit dem Boot weiter.«
»Du fährst doch airboat ?«, fragte Gina.
»Ja, ich fahre Touristen, aber ich kontrolliere auch meinen Abschnitt auf Wilderer, Abfall und ob alles in Ordnung ist. Das airboat ist eine große Hilfe, aber es macht höllischen Krach. Mir gefällt das auch nicht, aber ich komme anders einfach nicht voran. Und die Tiere scheinen sich an den Lärm gewöhnt zu haben.« Er zuckte die Schultern. »Beim Naturschutz muss man leider Kompromisse eingehen.«
Nachdenklich folgte ich Tom und den anderen. Während wir langsam weitergingen, nahmen wir einen kräftigen Schluck aus unseren Wasserflaschen. Es war mittlerweile Abend geworden, aber das änderte an der Temperatur überhaupt nichts. Nur die direkte Sonneneinstrahlung hatte nachgelassen. Urplötzlich stoppte Tom, und Liz prallte gegen ihn. »Was ist los?«
Wortlos deutete der Ranger voraus. Ich bekam gerade noch mit, wie sich eine kleine, bunt gemusterte Schlange über den Pfad wand und eine Sekunde später lautlos im Wasser verschwand.
»Oh!«, machte Liz. »Schlangen gibt’s hier auch?«
Tom fing lauthals an zu lachen, wobei er keine Rücksicht auf Naturschutz nahm. »Die Everglades wimmeln von Schlangen! Und ihr habt Glück, denn das war eine, die man selten zu Gesicht bekommt. Eine der vier giftigen Arten der glades .«
»Die war giftig?« Ich starrte auf das Wasser und versuchte, möglichst in der Mitte des Pfades zu bleiben.
»Ja, das war eine Wassermokassinschlange. Die kann schon unangenehm werden. Genau wie die Korallenschlange und zwei Arten von Klapperschlangen, die hier leben. Die meisten Schlangen sind aber vollkommen harmlos.«
»Harmlos …«, murmelte Liz. »Harmlos … Klapperschlange und harmlos! So wie Alligatoren.«
Tom musste schon wieder lachen. »Sie nehmen unsere Schritte wahr, lange bevor wir sie sehen können. Wenn wir sie denn überhaupt sehen. Sie verschwinden lieber, ehe sie das große trampelnde Tier namens Mensch zu nahe an sich ranlassen.«
»Ich muss gar nicht nah an sie ran«, murmelte Gina.
»Ich denke, wir sollten langsam umkehren«, meinte Tom. »In einer Stunde wird es dunkel, bis dahin sollten wir wieder bei unseren Autos sein.«
Wir machten uns auf den Rückweg, und als wir wieder in den mit Büschen und kleineren Bäumen bewachsenen Teil gelangten, erzählte uns Tom noch etwas über die Pflanzenwelt der Everglades . »Die glades sind etwas Einmaliges auf der Welt. Nirgendwo sonst gibt es ein Gebiet, das von Süßwasser und Salzwasser gleichermaßen durchsetzt ist. In einem Streifen von etwa zehn bis zwanzig Meilen entlang der Küstenlinie ist das am deutlichsten zu sehen. Dort gibt es Mangrovenwälder, die einem wie aus einer anderen Welt vorkommen. Und hier in dem Meer abgewandten Teil gibt es Tropengewächse wie den Gumbo Limbo, wilden Kaffee und sogar Orchideen. Doch was der Mensch so alles anrichtet und dann wieder mühselig rückgängig zu machen versucht, ist schon unfassbar. Aber das ist ja nicht nur in Florida so.«
Tom blieb stehen und zeigte in die Runde. »Auf den ersten Blick gibt es hier eine große Pflanzenvielfalt. Wer sich nicht auskennt, ist beeindruckt. Aber auch hier hat der Mensch fatale Fehler gemacht. Zum Beispiel der Brasilianische Pfefferbaum, den man früher hier angepflanzt hat. Das ist ein Gewächs, das sich dominant ausbreitet und vielen heimischen Pflanzen den Lebensraum nimmt. Die Versuche, ihn zu entfernen, sind eine Sisyphosaufgabe. Hört man hier auf, fängt man da wieder an. Eine zweite ungeliebte Art ist die Würgefeige. Sie wächst an Bäumen von oben nach unten. Unten angekommen, bildet sie starke Wurzeln aus, die gigantische Ausmaße annehmen
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