Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)
Gesicht, der Vorratsbeutel schlug gegen seinen Rücken. Als Pyros ihn unter einem tief hängenden Weidenzweig abschütteln wollte, presste sich Hylas so dicht an den Rücken des Tieres, dass er mit der Wange gegen Pyros’ knochigen Widerrist prallte.
Nachdem der Kampf zwischen Ross und Reiter eine halbe Ewigkeit gedauert hatte, blieb Pyros einfach stehen und weigerte sich stur, weiterzulaufen. Wutschnaubend rutschte Hylas von seinem Rücken und zerrte das Pferd zum Trinken ans Flussufer.
Die Schilfgräser bildeten einen dichten grünen Tunnel und die Grillen zirpten so ohrenbetäubend, dass er seine Verfolger nicht hören würde. Hylas sorgte sich um Telamon. Ich führe sie in die falsche Richtung … Wie wollte er das schaffen, ohne sich dabei selbst in Lebensgefahr zu bringen?
Während Hylas Pyros dabei zusah, wie er einen riesigen Fenchelstengel fraß, stellte der Junge fest, dass er selbst furchtbar hungrig war. Telamons Vorräte waren im Wagen zurückgeblieben, aber er hatte noch den Beutel. Er fischte einige Oliven und ein wenig Käse heraus, aß davon und bot Pyros ebenfalls etwas davon an. Das Pferd legte die Ohren an und fletschte die Zähne.
Seine Flanken waren schweißnass und mit feinen, schwarzen Narben übersät. Neleos’ Prügel hatten auch auf Hylas’ Haut Spuren hinterlassen. »Armer Pyros«, sagte er mitfühlend.
Pyros warf ihm einen argwöhnischen Blick zu.
Hylas legte Käse und einige Oliven auf den Boden. Pyros klaubte die Oliven auf und zertrampelte den Käse.
Vorsichtig trat Hylas heran, um den dampfenden Nacken des Pferdes zu streicheln. »Du bist gar nicht so böse, stimmt’s? Du magst es nur nicht, wenn man dich schlägt.«
Pyros scheute und schlug mit den Vorderhufen aus. Als Hylas sich mit einem Satz in Sicherheit brachte, ließ er dabei die Zügel los, und Pyros jagte auf und davon, mitten ins Schilf hinein.
Hylas jagte ihm nach, aber Pyros war bereits verschwunden.
Zuerst Issi und Scram, dann der fremde Hund, dann Telamon und jetzt Pyros. Ein böswilliger Geist wollte offensichtlich nicht, dass Hylas einen dauerhaften Gefährten fand.
»Na gut, dann eben nicht«, murmelte er verdrossen. »Ich schaffe es auch allein.«
Den ganzen Tag über folgte Hylas dem Fluss durch die Ausläufer der Berge. Schon nach kurzer Zeit hatte er das Schilfdickicht gründlich satt. Das Rascheln der Blätter klang, als raunten sie geheime Botschaften, und in dem undurchdringlichen Grün konnte er kaum sehen, wohin er ging.
Doch als sich das Schilf endlich lichtete, bedrückte die Aussicht Hylas noch mehr.
Hinter den schwarzen Bergen ging die Sonne wie eine blutrote Feuerkugel unter, und die dreifachen Reißzähne der Lykasberge waren weit entfernt. Sie erinnerten Hylas an die Pfade, über die er mit Issi und Scram gewandert war, und an den Gipfel der Ahnen, wo er ein Wettklettern mit Telamon veranstaltet hatte. Der Himmel über der Bergkette war in unergründliches Grau getaucht und von fern grollte leiser Donner. Der Himmelsvater trieb die Wolken gegeneinander in die Schlacht und entfesselte einen Sturm. Hylas stellte sich vor, wie Issi gegen Wind und Regen ankämpfte.
Zum ersten Mal wurde ihm richtig bewusst, wie lieb er Issi hatte. Bisher war sie einfach nur seine kleine Schwester gewesen, die ihm mit ihren ständigen Fragen auf die Nerven ging und irgendwie immer im Weg war. Doch nun, da sie weg war, vermisste er sie schmerzlich.
An einem flachen Hügel erspähte Hylas ein schwaches, rötlich flackerndes Licht. Lag dort Lapithos? Handelte es sich um das Feuer der Leuchttürme? Befand sich Telamon inzwischen in Sicherheit? Oder waren die Krähen bereits dabei, Lapithos niederzubrennen?
Plötzlich überkam ihn die furchtbare Ahnung, dass er weder Issi noch Telamon jemals wiedersehen würde.
»Meinen Wagen stehlen!«, tobte Telamons Vater. »Meine Pferde lahm reiten! Als hätte ich nicht schon genug Ärger.«
Telamon lehnte sich erschöpft an die Wand. Er wusste, dass ihm Prügel bevorstanden, sein Vater hielt die Rindslederpeitsche bereits in der Hand. Hoffentlich schaffte er es, die Schläge lautlos über sich ergehen zu lassen.
Viel schlimmer als Prügel war allerdings, dass sein Vater hinter die geheime Freundschaft zwischen Telamon und Hylas gekommen war. Einer seiner Schäfer hatte die beiden Jungen in dem Wagen erspäht.
»Du hast mich belogen«, knurrte sein Vater und schritt wie ein gereizter Löwe auf und ab. »Seit Jahren! War das vielleicht ehrenhaft?«
»Nein«, murmelte
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