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Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Titel: Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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einen Käfig aus Zweigen gesetzt. Issi hatte ihn beobachtet, bis er zu glühen aufhörte. Dann hatte sie ihn vorsichtig ans Flussufer zurückgetragen und freigelassen.
    Seine kleine Schwester hatte immer versucht, mit den Lebewesen der Wildnis Freundschaft zu schließen, mit Wieseln, Dachsen und einmal sogar mit einem Stachelschwein – auch wenn das nicht gut ausgegangen war. Außerdem hatte sie Scram über alles geliebt. Als Issi vier Jahre alt und Scram ein Welpe gewesen war, hatte Hylas sie immer damit zum Lachen gebracht, dass er dem kleinen Hund zurief: »Hau ab!«, woraufhin Scram stets mit flatternden Ohren und heraushängender Zunge auf die Geschwister zugesaust kam. Issi hatte von diesem Spiel nie genug bekommen können. Unaufhörlich hatte sie in die Hände geklatscht und gerufen: »Hau ab!«, bis sie vor Lachen am Boden lag.
    Bei dem Gedanken an Issi fühlte sich Hylas noch verlorener.
    Seit Neleos sie beide seinerzeit eingehüllt in ein Bärenfell in den Bergen gefunden hatte, hatte Hylas und Issi sich den Gefahren der Welt stets gemeinsam gestellt. Damals war er selbst etwa fünf und Issi zwei Jahre alt gewesen. Der alte Mann hatte erst versucht, ihnen das Bärenfell wegzunehmen. Hylas hatte ihn gebissen und Issi hatte gelacht …

    Hylas wurde von der Sonne geweckt, die ihm ins Gesicht schien. Das Floß hatte sich an einer Sandbank festgefahren. Die Stimmen des Flusses waren zu einem entfernten Seufzen verklungen, als atmete ein riesiges Geschöpf leise im Schlaf.
    Hylas blickte sich um. Er befand sich an einem leuchtend weißen Kieselstrand, von dem Fluss selbst war nichts mehr zu sehen. Stattdessen schimmerte eine tiefblaue und schier unendliche Wasserfläche vor ihm, die sich bis zum Himmel auszudehnen schien. Kleine, weiß gesäumte Wellen umspülten seine Füße. Im klaren Wasser konnte er bis auf den Grund sehen. Das Wasserkraut war hier nicht grün, sondern rötlich, und zwischen den Pflanzen flitzten sonderbare kleine, runde Geschöpfe umher. Sie hatten schwarze Stacheln und sahen wie Unterwasserigel aus.
    Er bückte sich und steckte einen Finger ins Wasser. Als er ihn ableckte, schmeckte es salzig.
    Sie wissen, dass du kommst, hatte der Keftiu gesagt. Sie suchen nach dir in ihrer tiefblauen Welt …
    Hylas schluckte.
    Er hatte das Meer erreicht.

D er Delfin war unruhig.
    Seit geraumer Zeit hatte er das Gefühl, etwas Bestimmtes tun zu müssen, wusste aber nicht, was. Seltsamerweise schienen die Delfine seines Schwarms dieses Gefühl nicht zu teilen.
    So etwas war noch nie vorgekommen.Normalerweise empfanden er und die anderen stets dasselbe. Ein Delfin zu sein bedeutete nämlich genau das: mit dem Schwarm durch ein schimmerndes Netz aus Klick- und Pfeiflauten und aufblitzenden Gedanken verbunden zu sein. Oft kam es ihm vor, als seien die Mitglieder des gesamten Schwarms, wenn sie gemeinsam sprangen und tauchten, nicht viele, sondern eins.
    Diesmal war es anders. Wenn er dem Schwarm dieses Gefühl mitteilen wollte, verstand ihn keiner der anderen, nicht einmal seine Mutter wusste, was er meinte. Deswegen hatte er beschlossen, sie alle für eine Weile zu verlassen. Er wollte selbst herausfinden, was dies alles zu bedeuten hatte.
    Anfangs hielt er sich dicht am Meeressaum, wo es laut und leuchtend hell war. Er hörte die schrillen Rufe der Seevögel und das Zischen und Schäumen der Wellen, die an den Strand schlugen. Er sauste durch einen Seegraswald, dessen weiche glatte Blätter ihn wohlig kitzelten, und lauschte dem geräuschvollen Gründeln eines Brassenschwarms, der den sandigen Boden nach Würmern absuchte. Nicht weit entfernt lag eine Insel im Wasser, die seine Neugier weckte. Mit einem hohen Sprung schraubte er sich aus dem Meer und befand sich einen Flossenschlag lang im Oben, wo die Geräusche abgerissen klangen und die Sonne nicht grün, sondern gelb aussah. Aber auch hier zeigte sich nicht, was er tun sollte.
    Das Wasser spritzte auf, als er ins Meer zurückfiel und das ruhelose Getöse des Saums verließ, um ins herrliche Blaue Tief mit seinem sanften, kühlen Licht einzutauchen, wo er sein eigenes Klicken hörte. Er spürte das saugende Vorangleiten eines Tintenfisches ganz in der Nähe und spielte mit dem Gedanken, auf die Jagd zu gehen. Tintenfische waren seine Lieblingsbeute, die er für sein Leben gern in ihren Verstecken aufstöberte. Aber das Gefühl, dass er etwas Wichtiges zu tun hatte, klebte wie eine lästige Seepocke an ihm und hielt ihn von der Jagd ab.
    Je tiefer er

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