Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Titel: Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
Vom Netzwerk:
nach unten gelangte, desto dunkler und kälter wurde das Meer. Er klickte schneller, lauschte den schroffen, korallenverkrusteten Felsen. Meeräschen ergriffen in panischem Schrecken die Flucht vor ihm, und Zackenbarsche grunzten einander warnend zu. Ohne sie zu beachten, tauchte er weiter hinab bis ins Schwarze Unten, wo er nichts mehr sah und die Gipfel, Täler und blinden Geschöpfe, die sich in der Finsternis bewegten, nur noch hörte. Das Meer bewegte sich schwer und träge, eine wahre Wohltat nach dem Lärm am Saum des Wassers. Doch das, wonach er suchte, fand er auch hier nicht.
    Während er zum Luft holen wieder hinaufglitt, überlegte der Delfin, was er tun sollte. Wie immer benötigte er nicht viel Zeit dafür, was gelegentlich zu falschen Entscheidungen führte. Auch jetzt dauerte es nur einen Flossenschlag, und er hatte einen Entschluss gefasst. Er teilte dem Schwarm mit, dass er bald zurück sei, kehrte ihm die Schwanzflosse zu und schwamm tapfer hinaus ins offene Meer.
    Erst nach einer geraumen Weile hatte er die vielen verschiedenen Geräusche geortet und die Strömung erforscht. Hier draußen wogte die See besonders mächtig, und es bereitete ihm viel Vergnügen, die Wellen hinauf- und hinunterzujagen. Obwohl das Pfeifen des Schwarms kaum noch zu hören war, hatte er keine Angst, sondern fand alles rings um sich her aufregend. Er war der abenteuerlustigste junge Delfin unter ihnen, und kleine Forschungstouren waren genau nach seinem Geschmack.
    Er hatte keine Scheu vor Begegnungen mit fremden Geschöpfen, obwohl diese meistens nicht besonders erpicht darauf waren, ihn kennenzulernen. Inzwischen hatte er gelernt, dass Quallen stachen und Krebse zwickten, wenn er ihnen zu dicht auf den Leib rückte. Er wusste auch, dass es besser war, nicht mit Fischen zu spielen, denn am Schluss vergaß er doch jedes Mal seine guten Vorsätze und fraß sie allesamt auf. Besonders viel Spaß hatte es ihm gemacht, mit einer Robbe zu spielen, aber leider war der Robbe irgendwann eingefallen, dass Delfine keine Artgenossen sind, und sie war davongeschwommen. Richtig schiefgegangen war sein Versuch, mit einem Delfinweibchen aus einer fremden Gruppe Freundschaft zu schließen. Sie hatte ihn in den Bauch gestoßen und ihm mit den Zähnen die Nase aufgeschürft. Das hatte sehr wehgetan.
    Plötzlich hörte er, wie sich ein großer, behäbiger Körper am Meeressaum herumwälzte.
    Zuerst hielt er den Körper für einen Wal, aber beim Näherschwimmen fiel ihm auf, dass der Körper keine Flossen hatte und aus Holzstämmen bestand. Da oben mussten Menschen sein!
    Der Delfin hatte Menschen gern. Sie waren so ulkig. Sie besaßen kein Blasloch und sprachen mit dem Mund. Da sie nicht richtig schwimmen konnten, begnügten sie sich damit, am Meeressaum herumzuplantschen. Außerdem taten sie ihm leid, denn sie mussten im Oben leben, auf schrecklich kleinen, vertrockneten Landfetzen.
    Andererseits waren Menschen tapfer und fast so schlau wie Delfine. Das Beste an ihnen waren jedoch zweifellos die schwimmenden Holzstämme, mit denen sie auf dem Wasser herumfuhren. Diese Stämme drückten einem die Wellen fest gegen die Flossen und schoben einen mühelos durchs Wasser voran. Es war so ähnlich wie auf der Bugwelle eines Wals zu reiten, nur eben ohne das Risiko, den Wal zu reizen.
    Eine Zeitlang vergnügte sich der Delfin nun damit, vor den Menschen durch die Wellen zu springen, während sie sich zu ihm herunterbeugten und winkten. Obwohl er ihre sonderbaren, dumpfen Laute nicht verstehen konnte, spürte er doch, dass sie ihm nichts Böses wollten und froh waren, ihn zu sehen.
    Dann bemerkte er, wie weit er sich von seinem Schwarm entfernt hatte. Gerade als er beschlossen hatte, zu den anderen zurückzukehren, spürte er deutlich, dass einer dieser Menschen dort oben auf dem schwimmenden Holzstamm sehr unglücklich war.
    Der Delfin konnte sie nicht sehen, spürte aber, dass sie jung, verängstigt und zornig war. Sie tat ihm leid und er hätte ihr gern geholfen, wusste aber nicht, wie.
    Schwach und weit entfernt rief ihn der Schwarm mit seinem Pfiffnamen.
    Ihn überkam ein leises Bedauern, am liebsten wäre er noch bei den Menschen geblieben. Bisher hatte er nicht gefunden, wonach er suchte, und er spürte in seinen Flossen, dass es immer noch irgendwo auf ihn wartete – und irgendwie mit den Menschen zu tun hatte.
    Der Ruf des Schwarms war mächtig.
    Der Delfin schnellte ein letztes Mal hoch in die Luft und ließ seine Schwanzflosse tanzen,

Weitere Kostenlose Bücher