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Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Titel: Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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Stimme. »Auf dass du bald in einem starken neuen Körper leben und keine Schmerzen mehr haben mögest.«
    Die goldenen Augen verschleierten sich, und Pirra spürte eine flüchtige Wärme über ihr Gesicht streichen, als sich der Geist des Löwen in den nächtlichen Himmel schwang.

    An einen Felsblock gelehnt, zwang sich Pirra dazu, den letzten Bissen des zähen, bitteren Löwenfleisches herunterzuwürgen.
    Hylas hatte sich erst geweigert und gesagt, es verstoße gegen die alten Bräuche, wenn ein Jäger den anderen verzehrte. Dann lenkte er jedoch ein und meinte, bei schlimmer Hungersnot sei es zulässig. Ihre Frage, was er mit den alten Bräuchen meine, hatte er nicht beantwortet.
    Zur Sicherheit hatten sie ihr Lager ein Stück abseits der Quelle aufgeschlagen, um von den durstigen Tieren nicht zertrampelt zu werden. In der warmen Nacht benötigten sie keinen Unterschlupf.
    Hylas hatte einem Stapel Holzkohle – zumindest davon gab es reichlich – ein Feuer entlockt und anschließend mit grimmiger Miene die Steine von der Quelle weggeschleppt. Pirra hatte ihm vorgeschlagen, damit bis zum Morgen zu warten, aber er hatte erwidert, er habe weder Scram noch den Löwen retten können und sei daher fest entschlossen, alles zu tun, um den Tod eines weiteren Tieres zu verhindern.
    Daraufhin räumten sie die Quelle gemeinsam frei, bis Hylas erklärte, sogar ein blinder Igel finde nun den Weg hierher. Anschließend zog er dem Löwen teilweise die Haut ab und schnitt ein Stück Fleisch aus seinen Rippen, das sie brieten und zu essen versuchten.Danach zogen sie den Kadaver für die anderen Tiere ins Gebüsch und brachten das Herz und den Schwanz der Göttin zum Opfer.
    Die Tiere hatten im Nu begriffen, dass die Quelle wieder sprudelte, und von ihrem Lager aus hörte Pirra ein ständiges Trappeln von Hufen und Pfoten. Kurzfristige Gefechte wandelten sich bald in langsames Schlürfen und schließlich hörten sie Wasser von zufriedenen Schnauzen tropfen.
    Trotz ihrer Erschöpfung fand Pirra keinen Schlaf. Sie befürchtete, ein zweites Mal jenes Flügelrauschen zu hören.
    Sie wusste, warum Hylas darauf bestanden hatte, dem Löwen die Haut abzuziehen und die Quelle freizugraben. Er wollte sich damit von den Geistern ablenken, die diesen Ort heimsuchten.
    Er war auf der anderen Seite des Feuers damit beschäftigt, die Blase des Löwen mit Glutbrocken zu einem Trinkschlauch zusammenzuschweißen. Als er ihren Blick auf sich spürte, hob er den Kopf. »Ich glaube, das war kein Geier, vorhin in der Schlucht.«
    Pirra schluckte. »Das glaube ich auch nicht.«
    Sie zuckten zusammen, als plötzlich Vogelschwingen aufflatterten. Dann stieß ein vorbeifliegender Rabe ein tiefes Kraak! Kraak! aus.
    Hylas atmete erleichtert auf und Pirra spähte in die Dunkelheit.
    Sie hatte die Erzürnten gefürchtet, seit sie denken konnte. Alle fürchteten sie, ob Priesterinnen, Bauern oder Sklaven. Die Erzürnten waren seit jeher da gewesen und unsterblich. Ihre Schatten folgten einem um Mitternacht und sie waren das Grauen, das Träume in Albträume verwandelt. Wenn man mitten in der Nacht vor Angst schlotternd aus dem Schlaf aufschreckte, waren die Erzürnten in der Nähe. Sie entsprangen dem Chaos, das vor dem Erscheinen der Götter geherrscht hatte. Sie verfolgten alle, die ihre Blutsverwandten ermordet hatten, und trieben deren Geist in den Wahnsinn. Manchen gelang es, die Erzürnten mit alten Zaubersprüchen für eine Weile fernzuhalten oder ihnen eine Zeitlang zu entfliehen, indem sie sie durch Verkleidung täuschten oder ihre Heimat verließen. Letzlich konnte ihnen jedoch niemand entrinnen.
    »Warum sind sie hier?«, flüsterte Pirra. »Sie verfolgen Menschen, die schreckliche Verbrechen begangen haben, aber hier ist doch niemand außer uns.«
    Hylas zuckte die Schultern. »Ich wünschte, wir hätten einen Kreuzdornzweig dabei. In meiner Heimat sagen die Leute, man könnte sie damit abwehren.«
    Schweigend dachten beide über die rätselhafte Anwesenheit der Erzürnten nach, die auch Unschuldige vernichteten, wenn sie ihnen zu nahe kamen.
    Pirra schrak auf, als Hylas Holzkohle aufs Feuer warf. »Ich lasse das Feuer die ganze Nacht über brennen. Hoffentlich dämmert es bald.«

    Trotz ihrer Angst schliefen sie, bis die Sonne aufging. Dann füllten sie Wasser in den neuen Trinkschlauch und machten sich auf den Weg. Als das graue Licht der Dämmerung ins Tal fiel, fühlten sie sich zuversichtlicher.
    Am Vormittag erreichten sie einen Pfad, der in

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