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Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Titel: Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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führt?«
    »Wir können den Spuren der Tiere folgen, dann finden wir vielleicht eine Quelle.«
    »Welcher Tiere denn? Sie sind alle tot.«
    »Nein, einige haben überlebt. Sieh dir die Fährten an.«
    »Was ist eine Fährte?«, fuhr sie ihn an. Der Durst versetzte sie in gereizte Stimmung.
    »Hast du denn noch nie von Fährten gehört? Das sind Fußabdrücke, die einem etwas erzählen.« Er deutete auf einen Abdruck, den er als Hasenspur bezeichnete, und anschließend auf eine Reihe gekrümmter Linien, die von einer Schlange stammten. Die Lücken dazwischen entstanden, wenn sie ihren Leib aufrollte.
    »Es ist so ähnlich wie eine Schrift«, sagte sie. »Das hättest du mir auch gleich sagen können.«
    »Was ist eine Schrift?«
    »Hast du denn noch nie von der Schrift gehört?«, erwiderte sie prompt. »Das sind Zeichen mit einer bestimmten Bedeutung.« Mit einem Stück Holzkohle warf sie ein paar Linien auf einen Stein. »Hier, das ist für dich. Es bedeutet Ziege.«
    »Was meinst du mit es bedeutet ? Es ist doch ein Stein.«
    »Ach, schon gut! Ich werfe jedenfalls einen Blick in diese Schlucht. Sie führt bestimmt zum Meer.«
    »Von mir aus, mach doch, was du willst.«
    »Mach ich auch.«
    Sie stapfte davon und wirbelte mit jedem Schritt Aschewölkchen auf, während Hylas zurückblieb und sich seinen kostbaren Fährten widmete.
    In der Schlucht war es dunkler als auf dem Weg und eine Brise schickte Staubfahnen hinter ihr her. Die toten Bäume schüttelten ihre mürben Bronzehände. Pirra bekam eine Gänsehaut. Sie beschloss, bis zur Pappel zu gehen und dann kehrtzumachen.
    Plötzlich glitt etwas Dunkles dicht an ihr vorüber. Weit oben rauschte ein gewaltiges Flügelpaar und flog quer über den Sternenhimmel.
    Pirra rannte zum Abzweig zurück, wo Hylas immer noch stand und gen Himmel starrte. In der Dämmerung sah er totenbleich aus.
    »Was war das?«, flüsterte sie.
    Er schüttelte den Kopf. »Ich habe etwas am Boden kauern sehen und dann ist es weggeflogen. Zuerst habe ich es für einen Geier gehalten …«
    »Was ist ein Geier?«
    »Ein großer Vogel, der Aas frisst. Aber wahrscheinlich war es ein anderes Tier. Ich habe jedenfalls noch nie einen Geier gesehen, der so schnell fliegen kann.«
    Keiner von ihnen wollte aussprechen, woran sie beide dachten. Als sie weitergingen, blieben sie dicht beieinander.
    Schon nach kurzer Zeit bedeutete ihr Hylas mit einer Handbewegung, zu schweigen.
    Nun hörte sie es auch: In einiger Entfernung rauschte Wasser. »Der Göttin sei Dank!«, stammelte Pirra.
    Bald hatten sie die Stelle erreicht. Hinter einer Felsnase drängten sich die wilden Tiere: Hirsch, Luchs, Wölfe – alle kratzten sie mit den Pfoten am Boden, vereint in der verzweifelten Suche nach Wasser. Rabenschwärme stiegen urplötzlich unter wildem Flattern auf, ein Hirsch kam auf Pirra zugerannt, schlug im letzten Moment einen Haken und stürmte mit donnernden Hufen in die Dunkelheit. Nun erkannte sie auch den Grund für die Verzweiflung der Tiere: Der Erderschütterer hatte die Quelle unter einer Steinlawine begraben. Sie kamen nicht an das Wasser heran.
    »Rühr dich nicht vom Fleck«, befahl Hylas, zückte den Dolch und stellte sich schützend vor sie.
    Nur vier Schritte von ihnen entfernt stand ein Löwe. Seine Mähne war verfilzt, die Nase von vielen Kämpfen vernarbt. Seine Augen glitzerten im Sternenlicht, als er unbeholfen auf sie zuschwankte und dabei raue Laute hervorstieß.
    Er blieb keuchend stehen. Speichelfäden tropften aus seinem Maul. Dann fiel er mit einem erschöpften Seufzer seitlich auf den Boden und legte sein mächtiges Haupt in den Aschestaub.
    Hylas schob den Dolch wieder in die Lederhülle. »Er ist schwer verletzt«, sagte er. »Sieh dir nur seine Pfoten an.«
    Pirra wurde übel. Das Feuer hatte die Tatzen bis aufs rohe Fleisch verbrannt, jeder Schritt musste dem Tier Todesqualen bereiten.
    Sie vergaß ihren Durst, lief zur Quelle und hievte Steine beiseite.
    »Vielleicht erholt er sich, wenn wir ihm etwas zu trinken geben«, sagte sie ohne große Hoffnung.
    Bald konnten sie ein paar kiesige Handvoll Wasser schöpfen. Der keuchende Löwe beobachtete sie aufmerksam und geduldig, aber als sie Wasser in seine Schnauze tropften, war er zu schwach zum Schlucken.
    »Das ist kein gutes Zeichen«, sagte Hylas.
    »Wir müssen ihm doch irgendwie helfen können!«
    »Nein, Pirra, dafür ist es zu spät.«
    Er legte eine Hand an die bebende Flanke des Löwen. »Finde Frieden«, sagte er mit sanfter

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