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Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Titel: Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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Pfeilspitzen der Krähen. Dann glitt seine Hand zum Messer, und er sah sich prüfend um. Hylas kam es vor, als strahle dieser durchdringende Blick Hitze ab wie glühende Kohlen.
    Der Mann humpelte zu den verkohlten Opferresten am Fuße des Abhanges, direkt unterhalb von Hylas. Er hob eine Tonscherbe auf, schnüffelte daran und legte sie wieder zurück. An einen Felsbrocken gelehnt, massierte er seinen rechten Oberschenkel. Anscheinend hatte er Schmerzen. Dann schüttelte er ein paar Blätter aus einem Beutel und zerrieb sie zwischen den Fingern. Einen Teil strich er sich auf die Stirn, den Rest steckte er in den Mund, spülte ihn mit einem Schluck Wasser herunter und wischte sich mit der Hand über die Lippen.
    »Du da oben«, sagte er dann gelassen. »Du kommst jetzt besser zu mir herunter.«

    »Ich weiß genau, dass du dort oben steckst«, fuhr der Fremde fort, als Hylas sich nicht rührte. »Und wir wissen beide, dass der einzige Weg aus deinem Versteck nach hier unten führt.«
    Ein Käfer krabbelte über Hylas’ Fuß. Er traute sich nicht, ihn abzuschütteln.
    Gähnend kreuzte der Fremde die Arme. »Ich kann warten, ich habe den ganzen Tag Zeit. Und du?«
    Der Käfer war weitermarschiert, eine Ameisenkolonne folgte ihm.
    »Na gut«, sagte der Fremde nach einer Weile. »Dann mache ich es mir solange hier unten gemütlich.«
    Die Sonne stieg höher, und Hylas spürte Schweißbäche an sich herabrinnen. Ein Windstoß blies ihm Asche ins Gesicht. Sein Mund war ausgedörrt. Pirra hatte den Trinkschlauch.
    »Besonders schön kann es da oben nicht sein«, bemerkte der Fremde. Seine Stimme war honigsüß, klang aber streng und befehlsgewohnt. »Du musst ziemlich durstig sein. Und hungrig natürlich, wie alle Jungen in deinem Alter.«
    Hylas hielt den Atem an. Wieso wusste der Fremde, wie alt er war, obwohl er ihn nicht sehen konnte?
    »Ich weiß eine ganze Menge über dich«, fuhr der Mann fort, als hätte Hylas laut gesprochen. »Du bist dünn und erschöpft. Du hinkst auf dem linken Bein. Bist du in einen Dorn getreten?«
    Hylas lauschte benommen. War das womöglich kein Mensch, sondern ein Unsterblicher in Menschengestalt?
    Aber falls er ein Unsterblicher war, hätte er ihn längst dazu gezwungen, aus seinem Versteck herauszukommen.
    Wenn er kein Unsterblicher war, warum kam er nicht herauf und zerrte ihn hinunter? Es sei denn … es sei denn, er konnte wegen seiner Verletzung nicht klettern.
    »Richtig«, bestätigte der Fremde. »Mit dem Kratzer am Bein möchte ich mir die Kletterpartie bis zu dir lieber ersparen. Wie heißt du eigentlich?«
    Vor Überraschung wäre Hylas um ein Haar mit der Antwort herausgeplatzt.
    Der Fremde zuckte die Achseln. »Na gut, dann taufe ich dich hiermit auf den Namen Floh, denn nur ein Floh bringt es fertig, dort hinaufzuhüpfen. Außerdem, Floh, rate ich dir dringend, herunterzukommen, sonst muss es das Mädchen büßen …«
    »Nein, das darfst du nicht!«, schrie Hylas.
    »Aha, der Floh kann also sprechen«, stellte der Fremde ungerührt fest. »Ein lykonischer Floh, wenn mich nicht alles täuscht …«
    »Tu ihr nichts!«
    »Das liegt einzig und allein an dir.«
    Hylas biss sich auf die Lippe. Wenn der Fremde Pirra wirklich in seiner Gewalt hatte, wo steckte sie dann? Oder war das alles nur eine List?
    Dann fiel es ihm ein. Spuren. Der Fremde hatte ihre Spuren gelesen, seine und die Pirras.
    Der Mann schaufelte eine Handvoll Asche in seine Hand und ließ sie versonnen durch die Finger rinnen. »Ein guter Matrose weiß immer, woher der Wind weht«, sagte er. »Obwohl dir das wahrscheinlich nichts sagt, denn du kommst aus dem Flachland.«
    »Nein, ich komme …« Hylas schloss ergeben die Augen.
    »Aus den Bergen? Natürlich, das hätte ich mir bei diesem Versteck auch denken können. Hast du dich nicht ein bisschen weit vom Lykasgebirge entfernt, Floh?«
    Hylas schwieg. Er fühlte sich wie eine Maus, die ein besonders schlauer Fuchs in die Falle gelockt hatte.
    Der Fremde war inzwischen damit beschäftigt, Zweige aufzusammeln, die er auf Hylas’ Versteck ausgerichtet aufstapelte. Was hatte er jetzt vor?
    Nervös beobachtete Hylas, wie der Mann zur Mündung der Schlucht humpelte und mit einem Grasbüschel zurückkam. Durch sein verletztes Bein behindert, kniete er unbeholfen nieder, zückte sein Feuersteinmesser und brachte mit kräftigen Schlägen die Funken zum Sprühen.
    »Du fragst dich sicher, was ich hier tue«, sagte er leichthin. »Ganz einfach: Nach dem Winter krabbeln

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