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Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt

Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt

Titel: Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beth Revis
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nicht, was ein Observatorium ist, aber ich weiß, dass Amys erste Erinnerung daran, wie sie die Sterne gesehen hat, mit ihren Eltern war – meine ist verbunden mit einem Toten.
    Amy sieht mich an, und ich bin froh, dass sie nicht weiß, was ich denke. Sie pickt an einer Fleischpastete herum, die auf der Serviette in ihrem Schoß liegt, und steckt sich ein Stück davon in den Mund. Sie schluckt es schnell hinunter und wirft dann den Rest der Pastete in den Müllschacht. Sie und Harley müssen hier gegessen haben statt in der Cafeteria der Station. Ich kann mir vorstellen, wie die anderen Bewohner der Station sie nach dem Rundruf des Ältesten behandeln. Sie nippt an dem Glas Wasser, das neben ihr steht, und verzieht das Gesicht.
    »Was ist los?«, frage ich.
    »Kopfweh«, sagt sie. »Und verrätst du mir jetzt, wieso alle Leute mich für einen Freak halten?«
    »Du hast es ihr nicht gesagt?«, frage ich Harley.
    »Natürlich nicht«, knurrt Harley und tupft Farbe auf seine Leinwand. »Wieso sollte ich sie mit diesen Lügen beleidigen?«
    Ein Teil von mir ist erleichtert, dass Amy nicht weiß, was der Älteste über sie gesagt hat. Aber Harley war schon immer so, seit ich ihn kenne. Er denkt, etwas nicht zu wissen, ist der beste Schutz, und er versteht nicht, dass das, was wir uns vorstellen, häufig viel schlimmer ist als die Wahrheit.
    »Sagst du es mir?«
    Ich schaue auf. »Es war der Älteste«, sage ich. »Er hat einen All-Ruf über dich ausgesandt.« Ich zögere. Weiß sie, was ein All-Ruf ist? »Äh, eine Nachricht. Er hat allen eine Nachricht geschickt. Über dich.« Ich verstumme wieder und kann ihr nicht länger in die grünen Augen sehen. »Es waren alles Lügen.«
    Amy spürt mein Zögern. »Was für Lügen?«, fragt sie.
    »Dass du das Produkt eines schiefgegangenen Experiments bist und dazu noch, äh, zurückgeblieben.« Ich verstumme wieder. »Ein Freak.«
    An der Art, wie sie die Lippen verzieht, erkenne ich, dass sie den Ältesten schon getroffen hat und vermutlich ahnt, was er gesagt hat. »Aha«, sagt sie schließlich und dreht sich wieder zum Fenster um.
    »Dann waren da viele Sterne am Himmel?«, fragt Harley, während er an dem Nachthimmel-Hintergrund seines Bildes arbeitet. Das Wort »Sterne« kommt ihm nur mühsam über die Lippen, als wäre er nicht an die Vorstellung gewöhnt.
    »Millionen«, sagt Amy sehnsüchtig. »Milliarden.«
    Harley verteilt silberne Punkte auf der Leinwand.
    »Aber«, sage ich und beuge mich über sein Bild, »sie sind besser verteilt, nicht alle auf einem Haufen. Du musst sie mehr ausbreiten. Und sie sind unterschiedlich groß. Einige sind größer, andere nur winzige Punkte.«
    Harley dreht sich langsam zu mir um. Amy macht große Augen.
    »Du hast die Sterne gesehen?« Harleys Stimme klingt vorwurfsvoll.
    »Ich … äh …«
    Amys Blick sucht meinen, und ich weiß, dass sie hofft, das Funkeln der Sterne in meinen Augen zu finden.
    »Nur ein einziges Mal«, sage ich.
    »Wie?« , haucht Harley.
    »Es gibt eine Außenluke. Für die Toten.«
    Amy schaut mich entsetzt an.
    »Wo ist sie?«, fragt Harley so eifrig, dass es mich an das letzte Mal erinnert, als er etwas hatte, was Doc einen »Absturz« nannte.
    »Sie ist nicht auf dem Versorgerdeck.«
    Harley sackt in sich zusammen. Er gehört nicht zu den wenigen, die Zugang zu anderen Decks haben. Er hat sein ganzes Leben hier auf dem Versorgerdeck verbracht.
    »Können wir sie sehen?«, fragt Amy. »Können wir die Sterne sehen?«
    Oh, ich würde sie ihr so gern zeigen. Aber nicht jetzt und nicht, wenn er dabei ist. Ich will derjenige sein, der Amy ihre Sterne zurückgibt.
    Aber was würde der Älteste sagen? Was würde der Älteste tun? Mit mir? Mit ihr?
    »Nein«, sage ich. »Das würde dem Ältesten nicht gefallen.«
    Amys Augen verengen sich zu jadegrünen Schlitzen. »Ich habe den Ältesten kennengelernt«, sagt sie verachtend.
    »Was im Universum könnte er zu dir gesagt haben, dass du ihn nicht leiden kannst?«, fragt Harley sie lachend.
    »Diese Luke, von der Junior gesprochen hat. Er wollte mich durch diese Luke hinauswerfen, damit ich keine ›Störung‹ auf dem Schiff verursache.«
    Harley lacht. »Das würde er nicht tun!«
    Amy lächelt nicht einmal.
    »Doch, würde er«, sage ich. Harleys Lachen bricht ab und er sieht mich mit großen Augen an.
    »Vielleicht hat er so etwas als Drohung gesagt, aber er würde nie …«
    »Doch«, widerspreche ich so energisch, wie ich kann. »Er würde. Er mag keine

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