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Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt

Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt

Titel: Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beth Revis
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zusammengebundenen Pferdeschwanz haben sich schon ein paar Strähnen gelöst. Trotzdem fahre ich mir hastig mit der Hand darüber – nicht, dass es etwas bringen würde, denn ich kann auf diesem Schiff ohnehin nicht verbergen, wer ich bin.
    »Du bist das genetisch modifizierte Experiment«, stellt das Mädchen fest. Ich nicke. »Der Älteste hat gesagt, dass wir nicht mit dir sprechen müssen.«
    »Das müsst ihr auch nicht«, sage ich und schaffe es nicht, das Knurren aus meiner Stimme fernzuhalten, »aber ihr könntet wenigstens höflich sein.«
    Das Mädchen neigt den Kopf, um darüber nachzudenken. Sie greift hinter sich nach einem kleinen Korb voller Spritzen. Etwa die Hälfte davon ist leer; in der anderen Hälfte ist eine goldgelbe Flüssigkeit, die aussieht wie mit Butter verquirlter Honig.
    »Was ist das?«, frage ich.
    »Impfungen«, sagt das Mädchen und konzentriert sich wieder auf das Kaninchen, das sie immer noch auf den Boden drückt. Sehr kampfbereit scheint es nicht zu sein. Es zuckt gelegentlich mit seinen massiven Hinterläufen, aber es wehrt sich nicht wirklich gegen den Griff des Mädchens.
    »Sind das deine Kuscheltiere?«, frage ich.
    Sie schaut zu mir auf, und ich sehe ihr an, dass sie daran denkt, was der Älteste über mich gesagt hat, wie dumm und zurückgeblieben ich angeblich bin. »Nein«, sagt sie. »Sie sind Nahrung.«
    Blöde Frage. Das Gehege ist ziemlich groß und ich sehe in unmittelbarer Nähe etwa zwanzig Kaninchen und in nächster Entfernung ein Dutzend weiterer. Am Ende des Auslaufs befindet sich ein Haus – vermutlich das Zuhause des Mädchens – und rund um das Haus stehen mit Draht verkleidete Ställe für weitere Kaninchen. Es muss Hunderte von Leuten an Bord der Godspeed geben. Da ergibt es Sinn, eine Eiweißquelle zu haben, die sich so schnell vermehrt wie Kaninchen.
    »Ich habe dich rennen sehen«, sagt sie, ohne ihre Aufmerksamkeit von dem Kaninchen abzuwenden. »Wovor bist du weggerannt?«
    »Ich bin einfach nur gerannt«, sage ich. Sie beobachtet mich schweigend und lauernd wie eine Katze.
    »Wieso?«, fragt sie.
    Ich zucke mit den Schultern. »Wieso nicht?«
    »Es ist nicht produktiv.« Das sagt sie so, als wäre Produktivität das Einzige, was erstrebenswert ist.
    »Na und?«
    Statt zu antworten, hält das Mädchen nur den Kopf schief und wendet sich von mir ab. Sie nimmt eine der vollen Spritzen aus dem Korb, rammt die Nadel ins Hinterbein des Kaninchens und lässt es dann wieder laufen. »Nummer 623 geimpft«, sagt sie. Auf dem Computer-Ding tauchen eine Wellenlinie und ein grünes Licht auf und ihre Worte erscheinen in einer Tabelle auf dem Bildschirm.
    »Wogegen impfst du sie?«, frage ich. Wie viele Kaninchenkrankheiten kann es auf einem Raumschiff geben?
    »Es macht sie stärker. Gesünder. Besseres Fleisch.« Sie hockt sich auf die Fersen und schaut zu mir auf. »Du lebst im Krankenhaus, stimmt’s?«
    Ich nicke.
    »Mein Großvater ist ins Krankenhaus gekommen«, sagt sie.
    »Geht es ihm besser?«
    »Er ist fort.«
    Das sagt sie ganz selbstverständlich, ohne jede Gefühlsregung, aber in ihren Augen schimmern Tränen. »Das tut mir leid«, versichere ich ihr.
    »Wieso?«, fragt sie. »Seine Zeit war gekommen.«
    »Du weinst.«
    Sie fährt sich mit ihrem Finger unter dem Auge entlang, was einen Schmutzstreifen auf ihrer Wange hinterlässt. »Ich habe keinen Grund zur Trauer«, verkündet sie mit monotoner Stimme.
    Das Mädchen nimmt den Korb hoch und greift nach dem Computer-Ding. Es liegt weiter entfernt, als sie dachte, und rutscht ihr aus der Hand und in meine Richtung. Ich kann die beiden Worte oben auf dem Bildschirm lesen: GENETISCHE MODIFIKATION.
    »Was steht da?«, frage ich und zeige darauf.
    Sie antwortet mir, ohne zu zögern, was mich ein bisschen wundert. »Genetische Modifikation zur Veränderung der Reproduktionsrate und Muskelmasse«, sagt sie in gleichmäßigem Tonfall. »Angestrebte Produktivitätssteigerung: 20 Prozent bei Steigerung der Fleischproduktion um 25 Prozent.«
    »Diese Spritzen sind keine Impfungen«, stelle ich fest und sehe ihr in die ausdruckslosen Augen. »Sie haben etwas mit Genmanipulation zu tun. Damit kenne ich mich aus. Meine Mutter war Gentechnikerin auf der …« Ich stocke, da das Mädchen immer noch denkt, ich wäre das Ergebnis eines Experiments hier an Bord. »Hör mal, ich bin nicht, was der Älteste behauptet. Ich komme von der Erde. Also, von der Sol-Erde, meine ich. Ich bin dort geboren worden. Ich war

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