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Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt

Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt

Titel: Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beth Revis
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und 41«, sage ich. Noch bevor ich den Floppy weglegen kann, rennt Amy schon durch die Reihen. Vor den beiden Türen mit den Nummern ihrer Eltern bleibt sie stehen.
    »Soll ich sie aufmachen?«, frage ich.
    Amy nickt, aber als ich vortrete und den Arm nach dem Türverschluss ausstrecke, hält sie meine Hand fest. »Ich mache es«, sagt sie.

35
    Amy
    Ich will sie sehen.
    Ich will Moms Lachfältchen berühren. Ich will Dads kratzigen Bart mit der Wange spüren.
    Ich will sie sehen.
    Aber ich will sie nicht gefroren sehen.

36
    Junior
    »Amy?«
    Amy und ich fahren herum. Harley ist am Ende der Reihe aufgetaucht.
    »Was machst du hier?«, frage ich ihn.
    Harley kommt gähnend auf uns zu. »Hab Wache gehalten. Wie wir es abgemacht haben. Außer euch beiden war niemand hier unten.«
    »Heute Nacht übernehme ich«, sage ich schuldbewusst, als ich Harleys dunkle Ringe unter den Augen sehe.
    »Nee, musst du nicht«, widerspricht Harley grinsend. »Kannst du auch nicht, weil der Älteste es merken würde. Es stört mich nicht, hier unten zu sein. Hier kann ich wenigstens ungestört malen.« Ich kenne Harley. Ich weiß, wie besessen er sein kann. Wahrscheinlich hat er mehr Zeit damit verbracht, die Sterne anzustarren, als die gefrorenen Leute zu bewachen.
    Ich beuge mich dicht zu ihm, damit Amy uns nicht hört. »Aber deine Medis.«
    Ich rede nicht nur von der blauweißen Psycho-Pille, die wir beide nehmen, die jeder auf der Station nimmt. Harley kriegt noch andere Medikamente wegen seiner »Episoden«, jedenfalls seit …
    »Mir geht’s gut«, beteuert Harley, und obwohl ich nicht sicher bin, ob ich ihm das glauben soll, merke ich doch an der Art, wie er Amy ansieht, dass er vor ihr nicht über dieses Thema reden will.
    »Kommst du mit? Amy will ihre Eltern besuchen«, sage ich.
    Harley zögert – er will zurück zu den Sternen. Aber als er meinen besorgten Blick bemerkt, lenkt er ein.
    »Okay«, sagt er, schaut aber dennoch noch einmal zum Gang, der zur Luke führt.
    In Harleys Augen erkenne ich eine Sehnsucht, die mich beunruhigt. Genau so fing es auch beim letzten Mal an.
    »Ich bin hier fertig«, sagt Amy hinter mir.
    »Bist du sicher?«, frage ich. Amy nickt.
    »Willst du deinen Koffer nicht haben?«, will ich wissen und werfe einen Blick auf den Floppy.
    »Meinen Koffer?«
    »Den du vor dem Einfrieren gepackt hast. Hier steht, dass du und deine Eltern je einen Koffer haben.«

37
    Amy
    Mit klopfendem Herzen folge ich Harley und Junior an den Reihen kleiner Türen vorbei zu einer Wand mit Schließfächern.
    Ich habe hierfür nie etwas gepackt. Mom und Dad haben mir nie gesagt, dass ich etwas mitnehmen könnte.
    Junior öffnet eins der Fächer, wo sich zehn große Koffer stapeln.
    »Da sind sie«, sagt er und zieht drei davon heraus.
    Harley und Junior stehen neben mir, als ich den Knopf zum Öffnen des ersten Koffers drücke. Der Deckel öffnet sich mit einem hörbaren Knacken – die Dinge darin sind vakuumverpackt.
    Dieser hier muss Moms Koffer sein. Sofort nach dem Öffnen steigt mir ihr Parfüm in die Nase. Ich atme tief ein, mit geschlossenen Augen, und erinnere mich daran, dass ihre Kleider schon nach diesem Parfüm geduftet haben, als ich als kleines Mädchen Verkleiden damit gespielt habe. Ich atme den Duft noch einmal ein und merke erst da, dass ich nur das bittere Gas riechen kann, mit dem die Dinge im Koffer konserviert wurden. Moms Parfüm ist nichts als eine Erinnerung.
    Ich nehme die in einer Schutzhülle steckenden Fotos heraus.
    »Was ist das?«, fragt Harley.
    »Der Ozean.«
    Harley starrt das Foto mit offenem Mund an.
    »Und das?«, fragt Junior.
    »Das war unser Familienausflug zum Grand Canyon.«
    Junior nimmt mir das Foto aus der Hand. Er folgt dem vom Colorado River geformten Gestein mit dem Finger, als könnte er nicht begreifen, dass der Canyon hinter mir und meinen Eltern wirklich echt ist.
    »Ist das alles Wasser?«, fragt Harley und zeigt auf das Foto, auf dem ich ungefähr sieben bin und eine Sandburg baue.
    Ich lache. »Alles Wasser! Es ist salzig, was eklig schmeckt, aber die Wellen gehen immer rauf und runter und vor und zurück. Mein Dad und ich sind immer in den Wellen hochgesprungen, haben uns von ihnen hochheben und dann an den Strand zurücktragen lassen.«
    »Alles Wasser«, murmelt Harley. »Alles Wasser.«
    Die anderen Bilder sind nicht so aufregend. Es sind fast nur welche von mir. Ich als Baby. Erster Schultag. Ich bei der Abschlussfeier in meinem schwarzen Kleid und neben

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