Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt

Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt

Titel: Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beth Revis
Vom Netzwerk:
neuen Buch?«
    Victria rutscht ein Stück zur Seite, und ich entdecke einen Stapel Bücher – echte Bücher von der Sol-Erde – neben dem Schaukelstuhl auf dem Boden der Veranda. Ich runzle die Stirn. Als Archivar sollte Orion es besser wissen. Nicht einmal die Archivare dürfen die antiken Bücher anfassen. Wenn der Älteste ihn erwischt …
    »Glaubst du, dass sie wenigstens glücklich sind?«, fragt Victria und deutet wieder mit dem Kopf auf das Paar. »Weil ich es nie bin.«
    »So, nun lasst uns dieses großartige Gemälde aufhängen!«, sagt Orion ausgelassen, als er wieder aus dem Archiv kommt. Die Leinwand, die er trägt, ist so frisch, dass ich die Farbe riechen kann – das erinnert mich an Harley.
    Orion dreht das Bild um, damit er es an den Haken über der Plakette hängen kann. Ich schnappe nach Luft. Er sieht mich an und lächelt.
    Es ist kein Bild vom Ältesten.
    Es ist ein Bild von mir.
    »Diese Paarungszeit ist der Anfang deiner Generation«, sagt Orion. Er hängt den Draht auf der Rückseite der Leinwand über den Haken und rückt das Bild gerade. »Für den Ältesten ist bald die Zeit gekommen zurückzutreten. Und dann wirst du seinen Platz einnehmen.«
    Mein gemaltes Ich überblickt die Godspeed von derselben Position, von der aus auch der Älteste sein Reich überblickt hat. Das Bild hat Harley gemalt – ich erkenne seinen Stil –, obwohl ich ihm nie Modell gesessen habe. Er muss es aus dem Kopf gemalt haben, was erklärt, wieso er so viel in mein Gesicht hineingemalt hat, das gar nicht existiert. Diese selbstbewusste Kopfhaltung, die der Älteste hat. Dieselben klaren Augen, die entschlossene Haltung. Es sieht kein bisschen nach mir aus. Sieht Harley mich wirklich so? Das bin ich nicht.
    »Es sieht genauso aus wie du«, sagt Victria. Sie ist aus ihrem Schaukelstuhl aufgestanden und steht jetzt hinter mir, um sich über meine Schulter hinweg das Bild anzusehen.
    »Du siehst aus wie ein Anführer«, fügt Orion hinzu.
    Ein Anführer? Bestimmt nicht. Ein Anführer wüsste, was zu tun ist.

47
    Amy
    Am nächsten Morgen dusche ich – und dann dusche ich noch einmal. Aber ich kann die blauen Flecken an meinen Handgelenken und Beinen nicht wegschrubben und auch die Erinnerung nicht aus meinem Kopf waschen.
    Es sind nur noch wenige Leute auf den Feldern. Fast niemand mehr.
    Menschen sind Tiere , hat Harley gesagt.
    Das sind sie. Luthe und die beiden Bauern haben es bewiesen. Und der Mann und die Frau, die direkt neben mir waren, die es nicht gemerkt haben, denen es egal war …
    Als die Paarungszeit anfing, hat Junior mich im Garten geküsst. War das ein echter Kuss – oder wären ihm die Lippen jeder anderen Frau ebenso recht gewesen? Mein Gesicht glüht. Für mich hatte es sich echt angefühlt. Aber für ihn wahrscheinlich nicht.
    Es ist mir egal, was für eine Seuche sie hier an Bord hatten oder was für Regeln der Älteste aufgestellt hat. Die Paarungszeit ist kein normales menschliches Verhalten. Es muss einen Grund dafür geben. Etwas im Essen oder eine Chemikalie in der aufbereiteten Luft – vielleicht sogar eine Krankheit, die die Leute dazu bringt, sich zu verhalten wie brünstige Tiere.
    Dann kommt mir ein Gedanke: der Doktor. Er sollte wissen, dass es nicht normal ist, und müsste herausfinden können, woran es liegt und wie man es in Zukunft verhindern kann.
    Ich springe auf und gehe zur Tür, aber meine Hand zittert, als ich sie nach dem Türöffner ausstrecke. Hier drin bin ich sicher. Da draußen …
    Nein.
    Ich werde nicht in meinem Versteck bleiben wie ein verschrecktes Kaninchen. Schließlich will ich den Doktor nur aufsuchen, um zu beweisen, dass Menschen eben doch keine Tiere sind. Da kann ich mich nicht selbst wie eins verhalten.
    Die Schwester in der Halle schickt mich in den zweiten Stock.
    »Aber er ist beschäftigt«, ruft sie mir nach.
    Auf dem Gang im zweiten Stock warten Dutzende Frauen. Einige sitzen in Krankenhausnachthemden in der Nähe der Türen und warten anscheinend darauf, dass ein Raum frei wird. Andere haben schlichte Kittel und weite Hosen an und die Krankenhauskleidung liegt sorgfältig gefaltet auf dem Schoß. Das ganze Stockwerk sieht aus wie eine riesige Frauenarztpraxis. In jedem Raum steht ein Untersuchungsstuhl und fast alle sind besetzt. Meine Schritte werden langsamer. Wieso ist die gynäkologische Abteilung plötzlich so überfüllt? Diese Frauen können doch unmöglich glauben, dass sie jetzt schon schwanger sind, oder? Nicht nach einem

Weitere Kostenlose Bücher