Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt
Tag. Ich schüttele den Kopf. Vielleicht ist es doch möglich. Auf einem Schiff, auf dem die Leute Telefone in den Ohren haben und die Computer so dünn sind wie ein Blatt Papier, wissen die Frauen vielleicht auch sofort, ob sie schwanger sind oder nicht.
Keine der Frauen sagt ein Wort.
»Stell dich hinten an«, sagt eine Schwester und drückt mir ein Nachthemd in die Hand.
»Oh, ich bin nur gekommen, weil ich den Doktor sehen wollte …«, fange ich an, verstumme dann aber. Natürlich will ich den Doktor sehen – das wollen alle anderen Frauen auch. »Ich meine«, füge ich hinzu, weil mich die Schwester so ungeduldig ansieht, »nicht den Frauenarzt, sondern den anderen Doktor, der sonst immer im dritten Stock ist.«
»Wir haben hier nur einen Doktor«, sagt die Schwester. Sie inspiziert meine roten Haare und die blasse Haut genauer. »Ich nehme an, dass du nicht wegen der Paarungszeit hier bist?«
»Nein!«
Sie seufzt. »Folge mir.«
Sie führt mich durch den überfüllten Gang. Viele der Frauen schauen auf und mustern mich so neugierig, wie man es bei einer merkwürdigen Person im Bus machen würde. Keine von ihnen sagt etwas; meine Anwesenheit scheint sie nicht sehr zu stören.
»Nur ein Doktor für so viele Patienten?«, frage ich die Schwester.
»Er hat uns Schwestern und seine Assistenten – einige der Wissenschaftler arbeiten schon seit Jahren für ihn.« Die Schwester seufzt wieder. »Aber Doc nimmt keinen von ihnen als Lehrling. Er ist eben nicht der vertrauensvolle Typ.«
Ich frage mich, was Vertrauen damit zu tun hat, neue Mitarbeiter einzustellen, aber jetzt ist nicht die Zeit, danach zu fragen. Die Schwester bleibt an einer offenen Tür stehen und bedeutet mir mit einem Kopfnicken, dass ich hineingehen soll.
»Oje, das tut mir leid!« Ich halte mir die Hand vor die Augen und will wieder gehen. Wieso hat mich die Schwester mitten in eine Untersuchung platzen lassen, eine sehr persönliche, intime Untersuchung?
»Das ist kein Problem«, sagt der Doktor. »Was kann ich für dich tun?«
»Ich denke nicht, dass es ihr recht ist, wenn ich hier …«
»Das stört sie nicht. Oder?«, fragt er und wirft der Frau über ihre Knie hinweg einen Blick zu.
»Nein, natürlich nicht.« Sie klingt gelangweilt.
Also, wenn ich auf diesem Stuhl liegen würde und jeder einfach alles sehen könnte, würde ich vor Scham im Boden versinken. Meine Mutter hat mich zum Frauenarzt geschickt, als es mit Jason ernst wurde, und das war die schlimmste halbe Stunde meines Lebens. Am liebsten hätte ich niemanden mit mir im Raum gehabt – und das schloss den Arzt, die Schwester und meine Mutter ein; ganz zu schweigen von irgendeiner Fremden.
Aber dieser Frau scheint das wirklich nichts auszumachen. Ich riskiere einen Blick und sie sieht mich gelassen an. Offenbar stört es sie wirklich nicht.
»Ich, äh …« Ich versuche zu ignorieren, was der Doktor da mit dem klaren Glibber und dem Ding macht, das aussieht wie ein Folterinstrument. »Ich wollte etwas über die Paarungszeit fragen.«
»Ah«, sagt der Doktor und macht mit seiner Untersuchung weiter. Kann er nicht eine Sekunde lang damit aufhören?
»Verändert sie die Leute?«, stoße ich hervor, denn ich will das Ganze so schnell wie möglich hinter mich bringen.
»Was meinst du?«
Das Metallding verrutscht. Die Frau verzieht das Gesicht, sagt aber nichts. Sie starrt ausdruckslos an die Decke.
Ihr glasiger Blick und die Art, wie sie daliegt und alles mit sich machen lässt, erinnern mich an das Verhalten des Paars, das dabei war, als ich überfallen wurde. Diese Teilnahmslosigkeit ist nicht normal. Genau genommen wirkten auch die Frauen draußen auf dem Gang ziemlich komisch. Sie saßen alle so geduldig, so ruhig, so emotionslos, so weggetreten da.
»Wie heißen Sie?«, frage ich die Frau. Ihr Blick wandert langsam zu mir rüber, und mir wird klar, dass sie total vergessen hat, dass ich da bin.
»Filomina«, sagt sie in einem gleichmäßigen Tonfall, obwohl der Doktor gerade etwas mit ihr macht, das mir extrem peinlich gewesen wäre.
»Sind Sie glücklich?« Ich weiß, das ist eine verrückte Frage, aber es war das Erste, was mir eingefallen ist.
»Ich bin nicht unglücklich.«
»Amy, was willst du?«, fragt der Doktor.
»Es ist, als wäre sie kein Mensch mehr«, sage ich. »Merken Sie das nicht? Sie sind Arzt! Sie sollten merken, dass das nicht normal ist!«
»Was ist nicht normal?«, fragt der Doktor. Die Frau lässt den Kopf wieder
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