Godspeed Bd. 2 - Die Suche
fährt noch einmal mit dem Finger darüber. Nichts passiert.
»Verdammt!« Ich habe sie noch nie fluchen gehört.
Die Techniker drängen sich immer noch um uns. Sie sehen besorgt aus – Haile und Jodee fangen an, miteinander zu flüstern, und Brittnes Hand wandert zu ihrer Dra-Kom. Shelby scheint die Worte wieder und wieder zu lesen, denn ihre Lippen bewegen sich.
»Ruhe jetzt«, befiehlt Marae. Wir konzentrieren uns jetzt alle auf sie. »Dies ist unser erster Einsatz als Poli-Zei. Und wir werden den Ältesten nicht enttäuschen.«
Sie gibt den Floppy an den Vierten Techniker Prestyn weiter. »Das war jemand, der Ahnung davon hat«, verkündet er nach einer kurzen Untersuchung. »Ich werde meine Gruppe sofort daransetzen, den Hacker zu finden.«
Marae nickt kurz und schon ist Prestyn auf dem Weg zur Tür und brüllt Befehle in seine Dra-Kom.
»Ich werde all unsere Sicherheitsprotokolle überprüfen«, sagt Shelby.
»Und wir müssen daran arbeiten, das Floppy-Netzwerk sicherer zu machen«, fügt Marae hinzu. Jetzt gehen auch die restlichen Techniker an die Arbeit und ihre hektische Betriebsamkeit übertönt sogar die Geräusche des Antriebs hinter mir.
Marae berührt meinen Ellbogen und zieht mich zur Seite. Ich kann immer noch die strahlend weißen Worte auf dem Schirm sehen, die mich zu verhöhnen scheinen.
»Was wirst du tun, Junior?«, fragt sie mich.
Ich weiche ihrem Blick nicht aus. »Ich weiß es wirklich nicht.«
6
Amy
Diese Dra-Kom soll mich mit dem Schiff verbinden, aber eigentlich verliere ich durch sie nur noch ein weiteres Stück meiner Vergangenheit. Doch … ich brauche das Ding, wie Doc gesagt hat. Weil ich hier nicht sicher bin.
Unbewusst umklammere ich mein Handgelenk. Die Prellungen sind längst verschwunden, aber es haben schon andere Hände meine Handgelenke gepackt, mich auf den Boden gepresst …
Ich lasse wieder los und hole tief Luft. Ich werde nicht daran denken. Ich will nicht daran denken.
Stattdessen betrachte ich die Dra-Kom. Ich stelle mir vor, wie sich die geflochtenen Drähte von selbst entflechten, unter meine Haut kriechen und sich in mein Fleisch bohren. Ich trage etwas, das einmal in jemand anders war. Das ist ein Gefühl, als würde man einen Zahn an einer Kette oder Ohrringe aus Zehennägeln tragen. Und am schlimmsten ist, dass es von Orion kommt. Ich würde nichts lieber tun, als dieses Ding, das ihm gehört hat, von meinem Handgelenk zu reißen und kaputt zu schlagen … aber etwas hindert mich daran.
Wenigstens kann ich mit der Dra-Kom Junior erreichen. Ich habe ihn in den letzten Wochen immer seltener gesehen und – ja, ich hab’s kapiert, er hat viel zu tun. Aber … jetzt lächle ich tatsächlich. Es wird nett sein, zumindest mal mit ihm zu reden.
Ich drücke den Knopf der Dra-Kom und sage Juniors Namen. Ich halte das Ding ans Ohr und warte darauf, seine Stimme zu hören. Biep! »Kom-Verbindung verweigert«, sagt eine freundliche Computerstimme.
Nun, es wäre nett gewesen , mal wieder mit Junior zu reden. Wenn er meinen Anruf entgegennehmen würde.
Ich sehe mir die Dra-Kom genauer an – auf einen der Drähte sind winzige Buchstaben gedruckt. Hätte ich nicht so genau hingesehen, wären sie mir nie aufgefallen. Ich bohre einen Finger zwischen die geflochtenen Drähte und trenne den roten von den anderen, um die Buchstaben besser sehen zu können.
Es ist nur ein Satz, der sich in winziger Schrift wiederholt: Lasst alle Hoffnung fahren.
Mein erster Gedanke ist, wie konnte Doc das übersehen? Er hat doch gesagt, er hätte die Dra-Kom gereinigt. Aber ich schätze, das hier ist nur ein weiterer Beweis dafür, wie verrückt – und damit meine ich echt soziopathenmäßig durchgeknallt – Orion war. Es würde mich nicht wundern, wenn Doc die Botschaft gesehen und mir die Dra-Kom trotzdem gegeben hat. Auf einen Draht gedruckte Worte haben ja nichts damit zu tun, ob das blöde Ding funktioniert oder nicht. Doc interessiert mehr das Praktische als die Frage, ob vielleicht noch irgendwelche Überreste von Orions Wahnsinn in das Ding eingeflochten sind.
Außerdem passt der Spruch ganz gut. Wenn es etwas gibt, das ich längst verloren habe, dann ist es Hoffnung. Es ist beinahe so, als hätte Orion diese Nachricht extra für mich hinterlassen.
Erst jetzt begreife ich es: Genau das hat er getan.
Doc hat gesagt, dass eine Notiz bei der Dra-Kom lag. Sie ist in gewisser Weise mein Erbe.
Meine Gedanken überschlagen sich. Orion hätte mir nicht mitteilen
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