Godspeed Bd. 2 - Die Suche
passt. Er hält mir das Ding hin.
»Das ist eine« – Doc zögert – »eine spezielle Dra-Kom.«
Ich zwinge mich, den Blick auf das Ding in seiner Hand zu richten. Es ist im Grunde nur eine Art kleiner Knopf, nicht mal so groß wie ein Centstück, aus dem drei Drähte herausführen. Bei einer normalen Dra-Kom sitzt der Knopf hinter dem linken Ohr unter der Haut und die Drähte bohren sich ins Fleisch. Hier hat Doc die Drähte kreisförmig zusammengeflochten, und aus dem Ding ein Armband gemacht. Auf dem roten Draht stehen winzige Buchstaben, aber sie sind so klein, dass ich sie nicht entziffern kann.
»Gib mir deine Hand.«
Ich hebe gehorsam den Arm, doch dann zögere ich und ziehe ihn zurück. Doc packt mein Handgelenk, bevor ich eine Chance habe, mich zu wehren, und streift mir die Armband-Dra-Kom darüber. Hastig zurrt er sie fest – nicht so eng, dass es mir die Hand abschnürt, aber doch eng genug, dass sie nicht abrutscht. Mit einer Zange dreht er die Drähte zusammen.
»Zum Sprechen musst du sie dir an den Mund halten«, informiert er mich. »Und um die Anrufe zu hören, hältst du sie ans Ohr. Das hier ist ein Verstärker.« Er zeigt auf das feine schwarze Netzgewebe, das den Knopf umgibt. Das ganze Ding ist kleiner als die Ohrstöpsel, die ich immer beim Laufen morgens vor der Schule getragen habe, aber das hier hat eindeutig mehr Power. Als Doc die Dra-Kom testet, indem er mir einen Kom-Link schickt, piept es so laut, dass ich es vom Handgelenk aus hören kann. Fasziniert hebe ich die Hand ans Ohr und lausche der kleinen elektronischen Stimme, die mir mitteilt: »Kom-Link: Doc.«
»Das haben Sie gemacht?«, fragte ich überwältigt.
Doc zögert. Er ist so verlegen, dass ich aufhöre, das Dra-Kom-Armband anzustarren und stattdessen ihn mit meinem Blick durchbohre. »Nein«, gesteht er schließlich. »Ich habe es nicht gemacht. Ich habe es gefunden.«
»Wo?«, frage ich. Böse Vorahnungen winden sich durch mein Gehirn wie Würmer durch den Schlamm.
»Im Archiv.«
Angewidert werfe ich einen Blick auf die Dra-Kom an meinem Handgelenk. Ich kann an nichts anderes denken als an die widerliche spinnwebartige Narbe, die Orions Kopf direkt unter dem linken Ohr verunstaltet hat. Ich stelle mir vor, wie die Drähte, die jetzt um mein Handgelenk geflochten sind, aus seinem Fleisch gerissen wurden und wie das Blut daran heruntergetropft ist. »Das war seins ?«, zische ich.
Doc nickt. »Ich habe sie unter seinen persönlichen Sachen gefunden. Er hat die Einheit selbst verändert. Ich weiß allerdings nicht, wieso er sie behalten hat – aber sie funktioniert jedenfalls perfekt.« Doc verstummt. Auch wenn ich das nie für möglich gehalten hätte – er scheint sich jetzt noch unbehaglicher zu fühlen. »Da war auch … ein Brief. Er hat diese Dra-Kom extra für dich gemacht.«
»Für mich?«, frage ich entgeistert und werfe einen kurzen Blick auf das Ding an meinem Handgelenk.
»Er hat geschrieben, dass er um deine Sicherheit besorgt ist, falls ihm etwas passiert und das System des Ältesten zusammenbricht, wovon er ausgegangen ist. Was ja auch geschah.«
Ich weiß nicht, was ich mit dieser Information anfangen soll. Orion, der versucht hat, meinen Vater umzubringen, der andere Menschen von der Erde ermordet hat , hilflose, eingefrorene und wehrlose Leute, dieser Typ macht sich gleichzeitig solche Sorgen um mich, dass er mir diese Dra-Kom baut … Ich habe mit einem merkwürdig verdrehten Gefühlsmix zu kämpfen – ein Teil Dankbarkeit, ein Teil Abscheu.
»Nicht, dass ich unbedingt eine Dra-Kom haben will, aber können Sie mir nicht eine andere geben? Eine neue ? Eine, die noch nicht unter der Haut von jemandem war?«
»Wir haben keine unbegrenzten Materialvorräte. Es sind mehr Babys unterwegs, als wir Dra-Koms haben, und die Techniker arbeiten bereits fieberhaft daran, neue herzustellen. Außerdem kann ich keine gebrauchte für ein Baby programmieren, weil die Gefahr zu groß ist, dass sie im Laufe der Zeit versagt.«
Ich fummle an dem Metallverschluss herum und versuche, das verdammte Ding abzukriegen.
Docs Hand zuckt zwar, aber er streckt sie nicht aus, um mich aufzuhalten. Stattdessen sagt er: »Amy, du brauchst eine Dra-Kom. Entweder diese oder du lässt dir eine implantieren.«
»Sie können mich nicht zwingen«, fauche ich.
»Nein«, bestätigt er. »Aber Junior kann es. Und wir sind uns einig – und du weißt es ebenso gut –, dass du in der Lage sein musst, um Hilfe zu rufen,
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