Godspeed Bd. 2 - Die Suche
glasigem Blick die Wand an.
Ich würde alles tun, um sie wieder fröhlich zu sehen und deshalb gebe ich ihr die Sterne. Hastig tippe ich das Codewort ein – Godspeed – und die Tür geht auf. Durch die Luke funkeln Millionen glitzernder Sterne.
Ich weiß noch, als ich die Sterne zum ersten Mal gesehen habe. Ich dachte, sie würden alles verändern. Ich dachte, sie hätten mich verändert und ich wäre zu einem anderen Mensch geworden, nur weil ich diese leuchtenden Pünktchen in ein paar Millionen Kilometern Entfernung gesehen habe. Aber wenn ich sie jetzt ansehe, spüre ich gar nichts. Ich glaube nicht mehr an die Sterne. Als ich allen auf dem Schiff gesagt habe, dass ich ihnen die Freiheit geben würde, sie selbst zu sein, habe ich diejenigen, die Sterne sehen wollten – echte Sterne – hierher mitgenommen. Ein paar sind gekommen. Viel weniger, als ich erwartet hatte. Da ist mir eines klar geworden: Wenn man sein ganzes Leben auf wenigen Hektar Land von Stahl umgeben verbringt, ist es einfacher, die Außenwelt zu vergessen. Es ist weniger qualvoll, auf einem Schiff gefangen zu sein, wenn man sich einredet, dass es keine Gefangenschaft ist.
Das ist der Grund, wieso ich ihnen nicht sagen kann, dass die Godspeed stehen geblieben ist.
Mein Blick wandert zu den roten Farbflecken auf dem Tastenfeld. Vielleicht werden die Kleckse, die Harley auf der Godspeed hinterlassen hat, irgendwann verschwinden, und vielleicht werden die Sterne bis in alle Ewigkeit erhalten bleiben, aber wenn ich wählen könnte, würde ich mich für Harleys Farben entscheiden.
Harley ist gestorben, weil … also, eigentlich weiß ich nicht, wieso er gestorben ist. Ich weiß nur, dass er nicht mehr da ist und ich ihn vermisse. Aber wenn man Orion glauben kann, ist Kayleigh für eine Wahrheit gestorben.
Ich stelle fest, dass mir seine Worte im Kopf herumschwirren. Zum Glück, denn ich will nicht länger über bedeutungslose Sterne und Harley nachdenken.
Stattdessen beschäftige ich mich mit Orions Rätsel. Anscheinend hat er mehr über den Antrieb des Schiffs gewusst als jeder andere. Wenn ich diesen dämlichen Hinweis entschlüsseln kann, finde ich vielleicht sogar heraus, wieso das Schiff stehen geblieben ist und eventuell auch, wie man es wieder in Bewegung setzt. Zähl zusammen …
Ich starre wieder auf die Liste, die Amy gefunden hat. Neben jedem dieser siebenundzwanzig Namen steht die Nummer der Kryo-Box. Was, wenn ich diese Nummern addiere …
1270.
»Was machst du?«, fragt Amy.
Ich probiere es an allen vier Türen mit dieser Zahlenkombination, angefangen bei der größten am Ende des Ganges.
Die letzte Tür öffnet sich.
Alles ist dunkel. Der Raum riecht nach Staub und Fett. Ich muss wieder daran denken, was Orion gesagt hat, bevor ich ihn eingefroren habe. Die Eingefrorenen haben vor, uns entweder zur Arbeit einzusetzen oder uns zu töten.
Ich will diese Waffen mit eigenen Augen sehen.
Amy findet den Lichtschalter vor mir. Die Beleuchtung springt nur zögernd an und flackert, als wolle sie uns nicht zeigen, was dieser Raum enthält.
Ich erkenne sofort, wieso Orion befürchtet hat, dass wir nach der Landung entweder zu Soldaten oder zu Sklaven gemacht werden.
Weißt du, was dich richtig fertigmachen wird? , hatte Orion zu Amy gesagt, kurz bevor ich die Kammer geflutet habe, um ihn einzufrieren. Die Tatsache, dass Junior derselben Meinung ist wie ich.
Pistolen, Gewehre und größere Waffen. Eingeschweißte Pakete mit Mörsergranaten. Lenkgeschosse – die meisten ungefähr so groß wie mein Unterarm, aber auch drei, die größer sind als ich. Alles ist in separaten Fächern verstaut, verpackt in dicke rote Plastikbeutel mit Etiketten und dem FRX-Symbol.
»Wir wissen doch nicht, was uns auf der Zentauri-Erde erwartet«, sagt Amy, als müsse sie sich verteidigen. »Es könnten Aliens sein oder vielleicht gar nichts. Oder Monster oder Dinosaurier. Wir könnten in dieser neuen Welt Riesen sein. Oder Mäuse.«
»Wenn schon, dann lieber bewaffnete Mäuse, was?«, sage ich und nehme eine durchsichtige Tüte mit einem Revolver in die Hand.
»Ich weiß, dass das nicht gut aussieht.«
»Es sieht aus, als hätte Orion die Wahrheit gesagt«, stelle ich fest.
»Hat er nicht«, sagt Amy sofort, aber woher will sie das wissen? Ich sehe, wie sich ihre Gedanken überschlagen – einerseits ist sie felsenfest davon überzeugt, dass ihr Vater und die anderen Leute von der Sol-Erde diese Waffen niemals einsetzen würden, aber
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