Godspeed | Die Ankunft
für die gesamte Kolonie zu finden. Wir wissen nicht, wie lange das Shuttle versiegelt bleiben wird, und können uns deshalb nicht darauf verlassen, dass es uns auf lange Sicht Schutz bietet. Deswegen müssen wir uns auf die Suche nach einem Platz machen, der leicht zu verteidigen ist und uns Zugang zu frischem Wasser ermöglicht.«
Die nervöse Aufregung ist spürbar. Wir sind so viele, dass wir mit dem Rücken an den Bäumen stehen, zwischen denen wir gelandet sind. Ich hätte nie gedacht, außerhalb des Schiffs so etwas wie Platzangst zu empfinden, aber bei dieser ungeheuren Menschenmasse auf so engem Raum fühle ich mich unbehaglich.
»Unsere Zahlenstärke gibt uns Sicherheit«, ruft Colonel Martin. »Wir sind eine große Gruppe und deshalb hoffe ich, dass alle Kreaturen, die uns möglicherweise angreifen wollen, davon abgeschreckt werden.«
Rund um mich herum beginnen die Leute zu murmeln. Natürlich ist ihnen Colonel Martins Wortwahl nicht entgangen – er
hofft
, dass wir sicher sind – und seine kleine Ansprache beruhigt sie kein bisschen. Viele von ihnen sehen mich an, doch ich reagiere wie ein Feigling und wende den Blick nicht von Colonel Martin ab. Schließlich folgen die anderen meinem Beispiel.
»Wir werden in diese Richtung gehen« – er zeigt nach vorn und ein wenig nach rechts – »denn der Sonde zufolge gibt es dort frisches Wasser. Militärs: Trupp Eins übernimmt mit mir die Führung, Trupp Zwei bildet die Nachhut, Trupp Drei sichert die Flanken, Trupp Vier ist die Vorhut.«
Sofort verteilen sich die Soldaten. Die Wissenschaftler bleiben bei meinen Leuten auf der sandigen Lichtung in der Nähe des Shuttles. Ein kleiner Militärtrupp verschwindet zwischen den Bäumen, um sicherzustellen, dass vor uns keine Gefahren lauern. Colonel Martin setzt sich in Bewegung, doch von meinen Leuten bewegt sich keiner. Auf dem Schiff war jeder Quadratzentimeter sorgfältig abgemessen. Sogar die Hügel waren regelmäßig angeordnet – eine perfekte Reihe gleichförmiger Erhebungen in der Landschaft. Dieses Land ist ganz anders. Es fällt scheinbar zufällig ab. Felsen, Steine, Büsche und sogar die Riesenbäume sind ohne Sinn und Verstand über die Gegend verteilt.
»Entschuldigen Sie«, ruft Lieutenant Colonel Bledsoe. »Würden Sie bitte nicht einfach weggehen?«
Einer der Versorger, Tiernan, sieht Bledsoe einen Moment verständnislos an und wandert dann weiter auf den Waldrand zu. Er ist zwar neugierig, aber auch zögerlich und bleibt vorsichtshalber im Schatten der Bäume, deren Stämme miteinander verwoben sind wie ein knotiges Seil.
Bledsoe knurrt gereizt und geht auf Tiernan zu. Doch bevor sie ihn erreicht, mische ich mich ein. »Er versteht Sie nicht«, sage ich.
»Wieso nicht?«, faucht sie. »Wir sprechen doch die gleiche Sprache.«
»Das schon. Aber … Ihr Akzent.« Er ist noch stärker als der von Amy, denn diese Frau spricht so hastig und mit einer so merkwürdigen Betonung, dass sie wirklich schwer zu verstehen ist.
»Ich komme aus Südafrika«, sagt Emma und ich versuche verzweifelt, mich an den ramponierten Globus im Lernzentrum zu erinnern. »Allerdings habe ich den Großteil meiner Kindheit in Südfrankreich verbracht. Meine Mutter ist Engländerin. Oh«, fügt sie verblüfft hinzu. »Sie
war
Engländerin; mein Vater
war
Libyer.« Sie benutzt die Vergangenheitsform, als hätte sie einen bitteren Geschmack im Mund.
»Verstehe«, sage ich. Sie muss nicht wissen, dass ich mich kaum an die Namen der wichtigsten Länder der Sol-Erde erinnere, ganz abgesehen davon, dass ich nicht begreifen kann, wie ihre Bewohner dieselbe Sprache sprechen und sich trotzdem vollkommen verschieden anhören können.
Sie nickt und beginnt erneut, die ehemaligen Bewohner der
Godspeed
anzutreiben; allerdings spricht sie jetzt ein kleines bisschen langsamer.
Ich seufze. Wenigstens versucht sie es.
Ich schnappe mir Tiernan, ziehe ihn zurück zur Gruppe und lasse meine Leute die Anweisungen weitersagen: Bleibt auf dem Weg, bleibt zusammen, lasst niemanden zurückfallen.
Ich sorge dafür, dass alle startbereit sind. Kit geht ganz hinten und begleitet die, die unter Phydus stehen, die einzigen Personen der Gruppe, die nicht mit großen Augen fasziniert in diese neue Welt starren. Ich frage mich, woran sie sich wohl erinnern werden, wenn Kit ihnen die Phyduspflaster wieder abnimmt, oder ob sie dann erneut das Entsetzen und die Panik verspüren wie in dem Moment, als ihnen die Droge verabreicht wurde.
Ein
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