Godspeed | Die Ankunft
widerstehen. Wir sitzen auf einem Planeten fest und haben nur dabei, was wir tragen können – wenn sich die Türen versiegeln und der Computer sie nicht wieder öffnen kann, sind wir verloren.
Dann ist das Shuttle unser Grab.
»Raus! Raus! Raus!«, kreischt Emma der Gruppe vom Schiff entgegen, die sich panisch an die Wand drängt. Ich rase zu ihnen.
»Wir müssen gehen!«, rufe ich.
Sie sehen mich verständnislos an. Zumindest hören sie mir eher zu als Emma – ich bin zwar keine von ihnen, aber wenigstens kennen sie mich und vertrauen mir … irgendwie. Aber sie begreifen nicht, dass das Shuttle plötzlich ihr Feind geworden ist; sie betrachten es als ihren einzigen Schutz.
»Geht zu Junior – er ist schon draußen. Ihr müsst auch rausgehen!« Etwas von dem, was ich sage, scheint zu ihnen durchzudringen, denn sie folgen den Wissenschaftlern, die bereits auf die Tür zustreben.
Nachdem sich die ersten Leute in Bewegung gesetzt haben, folgen andere. Emma und die Soldaten fangen jetzt an, die Menschen energisch anzutreiben und sogar in den Flur zu heben. Trotzdem dauert es viel zu lange.
Der Alarm verstummt wieder und der Computer meldet: »Acht Minuten.«
Wir werden niemals alle rechtzeitig nach draußen bekommen. Da sind zu viele Leute, die vor Angst wie gelähmt sind. Ihre Angst vor dem Unbekannten ist einfach zu groß.
Kit packt meinen Arm. »Sag Junior, dass diese Leute bleiben!«, schreit sie.
»Was? Das können sie nicht!«
»Sie gehen nicht!«, ruft Kit. »Sie sind starr vor Angst. Es wird Wochen dauern, bis sie es wagen, das Shuttle zu verlassen!«
»Sie
müssen
gehen!«, überschreie ich den Alarm. »Wenn sie es nicht tun, kommen sie vielleicht
nie mehr
raus! Sie sind im Shuttle gefangen!«
Chris, Emma und ein paar andere Soldaten gehen auf die Gruppe zu, die sich an die Wand drückt. Ihre Augen sind weit aufgerissen und ihre panischen Blicke huschen hin und her. Eine Frau in meiner Nähe presst den Rücken an die Wand und ihre Hände umklammern die Schweißnähte. Ihr Kopf ist fest ans Metall gedrückt und über ihren linken Arm fließt Blut – ich erkenne sie. Es ist Lorin, eine der Frauen, die ich nach der Landung verarztet habe. Sie hat sich so heftig gegen die Wand geworfen, dass ein paar ihrer Nähte gerissen sind.
»Lorin«, sage ich so ruhig, wie es mir über dem Heulen des Alarms gelingt. »Wir müssen gehen.«
Sie schüttelt den Kopf. Ihre Augen sind weit aufgerissen und ihre Lippen formen unhörbare Worte.
»Wir
müssen
«, sage ich und werfe einen Blick auf die anderen, die sich an die Wand drücken. Sie haben noch nie ein Leben ohne Wände geführt – aber ich kann nicht zulassen, dass sie auch hinter diesen Wänden sterben.
»Das reicht«, knurrt Emma. Sie stößt mich zur Seite, packt Lorins Handgelenke und beginnt, sie mit Gewalt zur Tür zu zerren.
Lorin kreischt und wehrt sich mit aller Kraft. Sie stolpert, und Emma zieht sie ein paar Schritte auf den Knien hinter sich her, doch dann kommt Lorin wieder auf die Beine, reißt sich los und rennt zurück zur Wand. Dabei schüttelt sie die ganze Zeit den Kopf –
nein, nein, nein
.
»Sieben Minuten«, vermeldet der Computer.
»Gehen Sie in die Waffenkammer«, sage ich. »Wir brauchen alle Waffen, die Sie tragen können. Kit und ich kümmern uns um diese Leute.«
Emma sieht mich an, als wollte sie widersprechen, doch dann wirft sie entnervt die Hände hoch und führt ihre Untergebenen zum Waffenarsenal.
»Wie –«, beginnt Kit, doch ich lasse sie nicht zu Wort kommen.
»Wo sind die grünen Pflaster?«, schreie ich und bin schon ganz heiser von den vielen Versuchen, den Alarm zu übertönen.
»Was?«, schreit Kit zurück.
»Phydus!«
Kit schnappt sich ihre Arzttasche und holt händeweise grüne Pflaster heraus. Auch wenn ich es eigentlich nie tun wollte, klatsche ich eines davon auf jeden, der sich weigert, das Shuttle zu verlassen. Lieber gebe ich ihnen eine kleine Dosis der verhassten Droge, als sie hier drinnen sterben zu lassen. Sie schlurfen in Richtung Tür – aber im Schneckentempo, und ich schreie sie an, dass sie sich beeilen sollen.
Als Letztes erreiche ich Lorin – sie versucht, mir auszuweichen, aber als der Computer die letzte Minute ansagt, stürze ich mich auf sie und presse ihr das Pflaster auf den Handrücken. Sofort werden ihre Augen glasig. Ich reiße sie hoch und zerre sie auf meiner wilden Flucht zum Ausgang hinter mir her.
»Dreißig Sekunden bis zur Abriegelung«, verkündet die
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