Godspeed | Die Ankunft
Computerstimme freundlich. »Neunundzwanzig … achtundzwanzig …
Mit Lorins schlaffem Körper im Schlepptau renne ich zur Tür, verzweifelter, als ich es je bei jedem Wettlauf oder Sportfest in der Highschool war. Ich werde mich
auf keinen Fall
in diesem stinkenden Shuttle einsperren lassen.
Junior steht an der Tür zur Brücke. »Schnell!«, schreit er.
Der Countdown nähert sich seinem Ende. »Zehn … neun … acht …«
Ich stoße Lorin vor mir durch die Tür – sie fällt zwar hin, aber sie hat es auf die andere Seite geschafft.
»… vier … drei …«
Ich hechte durch die Tür.
Hinter mir verschließt sie sich mit einem Zischen.
Der Alarm verstummt, aber er gellt mir trotzdem noch in den Ohren. »Bist du okay?«, fragt Junior und hilft mir auf die Beine. Kit, die vollkommen außer Atem ist, kümmert sich um Lorin.
»Ja«, sage ich und reibe mir den Ellbogen. Ich bin mit ihm auf den Metallboden geschlagen.
»Wie lange bleibt diese verdammte Tür versiegelt?«, fragt Dad und starrt die Tür so empört an, als hätte sie ihn persönlich beleidigt.
»Das sagte ich doch schon«, faucht Junior ebenso gereizt. »Ich weiß es nicht.«
Dad kocht vor Wut. Doch obwohl ihm die Situation gar nicht passt, kann er nichts dagegen unternehmen. Mein Blick wandert zwischen den beiden hin und her. Es ist nicht fair, dass Dad Junior die Schuld gibt … aber ich wünschte auch, dass Junior etwas mehr Ahnung davon hätte, wie man die Versiegelung wieder rückgängig macht.
Dad schickt Emma los, die Militärangehörigen zusammenzuholen, und befiehlt dann auch Junior, seine Leute zu organisieren. Mit Lorin an der Hand folgt Kit Junior die Rampe hinunter.
Dad hält mich an der Schulter zurück. »Mach das nicht noch mal«, sagt er.
»Was?«, frage ich und reibe noch immer meinen Ellbogen.
»Bring dich nicht noch einmal in eine Lage, in der du dich für
diese Leute
opferst. Wenn ein paar von ihnen es nicht nach draußen geschafft hätten, wäre das ihre eigene Schuld. Aber wenn du drinnen geblieben wärst …«
»Am Ende haben es doch alle geschafft«, sage ich und sehe ihn stirnrunzelnd an.
»Nimm das.« Dad drückt mir etwas Kaltes und Hartes in die Hand. Eine Waffe – eine Achtunddreißiger in einem Segeltuchholster. »Vergiss nicht, was ich dir beigebracht habe«, sagt er. »Zieh einfach den Abzug. Spann nicht den Hahn. Benutze beide Hände zum Zielen.«
»Ich weiß«, sage ich, und muss wieder daran denken, wie ich auf Doc geschossen habe. Die Kugel hat ihm das Knie zerschmettert. Diese Waffe ist kalt und nie abgefeuert worden, aber bei der Erinnerung an diesen Schuss rieche ich sofort wieder die Mischung aus Schießpulver und Blut, und mir dreht sich der Magen um.
»Bleib bei Chris«, fügt er halblaut hinzu. »Ihm traue ich mehr als diesem Schiffsvolk.«
»Diese Menschen sind okay«, sage ich. »Es sind ganz normale Leute.«
»Es sind aber nicht
unsere
Leute.«
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14 Junior
Während wir noch zu begreifen versuchen, was los ist, steht Colonel Martin oben auf der Rampe. Alle sehen geschockt aus. Meine Leute sind am ersten Tag unsanft auf dem Planeten gelandet und schon am zweiten Tag von einem Alarm nach draußen gescheucht worden.
Ich sehe Kit finster an und ebenso die grünen Pflaster, die auf dem Arm, dem Hals oder der Hand der letzten Personen kleben, die das Shuttle verlassen haben. Ich weiß natürlich, dass es die einzige Möglichkeit war, sie ins Freie zu bekommen, denn wenn sie nicht gezwungen worden wären, hätten diese Leute das Shuttle niemals verlassen. Nur weil sie den Mut aufgebracht haben mitzufliegen, bedeutet das nicht, dass sie auch den Mut besitzen, von Bord zu gehen.
Ich schlucke den üblen Nachgeschmack dieser Aktion herunter. Die Pflaster waren eine Ausnahme, rede ich mir ein. Ihr Einsatz ist zu rechtfertigen, weil es ohne sie nicht ging. Ich schaue mich suchend zu Amy um, damit sie mir bestätigen kann, was ich denke, denn das brauche ich jetzt. Doch sie steht oben auf der Brücke zwischen ihrer Mutter und Chris. Sie beugt sich zu ihm und flüstert ihm etwas zu, was Chris zum Lächeln bringt.
Sofort wende ich mich ab.
»Vielen Dank, dass Sie uns geholfen haben, das Shuttle so schnell und ruhig zu verlassen«, ruft Colonel Martin über die Köpfe der Menge hinweg, und seinem ausdruckslosen Militärgesicht ist nicht anzusehen, wie sehr er sich gerade noch über meine Leute geärgert hat. »Das Beste, was wir jetzt tun können, ist, eine dauerhafte Bleibe
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