Godspeed | Die Ankunft
einfach.
Meine Lippen pressen sich auf seine, und meine Arme schlingen sich so fest um ihn, dass nicht einmal mehr die Regentropfen zwischen uns Platz haben. Meine Finger fahren durch seine Haare und wandern dann über seinen Nacken. Ich merke, wie er die Armmuskeln anspannt und mich immer dichter an sich zieht.
Plötzlich sind all meine Sinne hellwach: Ich spüre den kalten Regen, der Donner dröhnt in meinen Ohren, aber das ist nichts gegen das Gefühl, Junior in den Armen zu halten.
Durch meine geschlossenen Augen sehe ich das Aufleuchten eines weiteren Blitzes. Er elektrisiert mich ebenso wie Junior, der mich auf einmal viel leidenschaftlicher küsst. Wir halten einander in den Armen, brauchen einander, können einander nicht wieder loslassen.
Immer im Regen.
Ich stehe auf Zehenspitzen, um besser an Juniors Lippen zu kommen, doch dann verliere ich das Gleichgewicht und rutsche auf den glatten Steinen aus. Junior hält mich jedoch so fest, dass er mich mühelos hochhebt, sich mit mir einmal langsam um sich selbst dreht und sich sein Lachen mit dem Rauschen des Regens mischt.
Ich schaudere, und meine nassen Haare hängen unordentlich an mir herab, als der Regen so plötzlich endet, wie er begonnen hat. Der Himmel wird bereits heller und es hat sich abgekühlt. Ich lehne mich zurück und blinzle im sanften Licht der beiden Sonnen.
»Was ist?«, fragt Junior, und erst da merke ich, dass ich laut geseufzt habe.
»Ich hatte gehofft, dass es einen Regenbogen geben würde«, sage ich.
Er bleibt reglos stehen und sieht mich ungläubig an. »Die gibt es wirklich?«
Ich lache. »Klar gibt es die!«
Junior schüttelt den Kopf, als könnte er die Vorstellung von einem den Himmel umspannenden Bogen aus Licht auf diese Weise besser in seinem Gehirn verankern.
Hier, auf der zweiten Ebene, fühlt es sich beinahe an, als hätten wir so etwas wie Privatsphäre. Der Regen hat nicht nur für Abkühlung gesorgt, sondern auch eine gewisse Frische gebracht.
Und Insekten.
Ich schlage nach einer Mücke – oder etwas, das zumindest aussieht wie eine Mücke –, die um mein Gesicht herumschwirrt, und höre dann ein unterschwelliges Summen von irgendwelchen anderen Insekten ganz in der Nähe. Ich gehe um das Gebäude herum und entdecke einen Baum wie die im Wald, bloß kleiner, an dem ein Schwarm Mücken oder ähnliche Viecher um wunderschöne zarte Blüten in einem tollen Purpurrot herumschwirrt, die von den Ästen herabhängen.
Ich strecke die Hand aus, um die Blüten zu berühren, doch da zerreißt ein schriller Schrei die Stille – ein Schrei, den wir schon kennen und der sich noch einmal wiederholt. Instinktiv ziehe ich die Hand zurück, um mich zu schützen, obwohl mir natürlich klar ist, dass ich das nicht kann.
»Was war das?«, fragt Junior leise, doch wir wissen beide, was es war. Wir suchen den Himmel ab, können aber nichts entdecken. Junior tritt näher an den Baum heran. »Ich glaube … ich glaube, diese Blüten kommen von dem fadenartigen Zeugs, das wir vorhin schon an den Bäumen gesehen haben.«
Er hat recht – das purpurrote Moos an den Bäumen hat genau dieselbe Farbe wie diese Blütenblätter: ein zartes Lila an den Rändern, das sich zur Mitte hin in Purpurrot verwandelt. Ein paar Moosfäden blühen noch nicht, aber die meisten sind mit hauchzarten, beinahe durchsichtigen Blüten übersät. »Die sind wunderschön«, flüstere ich.
»Du magst Blumen also?«, fragt Junior mit einem gequälten Lächeln. Bevor ich antworten kann, hat er schon eine Blüte abgepflückt. »Bitte sehr. Das ist das Mindeste, was ich tun kann, nachdem ich mich so blamiert habe, als ich dir das letzte Mal Blumen gebracht habe.«
Ich sehe ihn neugierig an – wann hat er mir jemals Blumen geschenkt? –, und dann neige ich den Kopf, um den betörend klebrig-süßen Duft der Blüte einzuatmen.
Ich lächle. »Das erinnert mich an –«
Mein Körper wird taub.
Meine Augen sind noch offen, als ich umkippe. Der Boden rast auf mich zu, aber ich kann die Hände nicht ausstrecken, um mein Gesicht zu schützen. Ich kann die Muskeln nicht anspannen, bevor mein Körper auf dem Boden aufschlägt.
Ich fühle gar nichts.
Meine Augen sind immer noch offen, während ich mit dem Gesicht nach unten in einer schmutzigen Regenwasserpfütze liege. Ich kann etwas Braunes darin herumschwimmen sehen.
Etwas klebt an meinen Augen und ein Reflex schließt meine Lider.
Wasser läuft in meinen offenen Mund, in die Nase und
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