Godspeed | Die Ankunft
einfach hier alleinlässt.
»Das haben wir uns gedacht«, sagt Dr. Watase. Sie zeigt auf einige Dutzend der purpurroten Blüten, die auf dem Boden aufgereiht sind. »Wir haben noch keine Tests durchführen können, aber unsere Beobachtungen lassen darauf schließen, dass diese Pflanzen Fleischfresser sind. Bei Nässe blühen sie auf und geben ein Neurotoxin ab, das Insekten in ihre Blüte fallen lässt.«
»Und Genies wie ich kippen einfach um«, sage ich, und grinse, so gut ich kann, um die fast greifbare Anspannung ein wenig aufzulockern. Es funktioniert nicht. Sie alle sehen mich nur an und nicken ernst.
»Ganz genau«, bestätigt Dr. Watase. Sie tätschelt mir die Hand, als wäre sie meine Oma. Unter normalen Umständen hätte ich jetzt die Augen verdreht, aber das ist mir zu mühsam.
»Ich habe Hunger«, sage ich.
»Haben wir alle«, bemerkt Dad. »Wenn sich das Shuttle nicht wieder öffnet, werden wir sehen müssen, wie wir auf diesem Planeten an etwas Essbares kommen.«
Ich schließe die Augen. Auf der
Godspeed
hatten wir wenigstens etwas zu essen. Wenn wir jetzt alle verhungern, ist es zumindest zum Teil meine Schuld. »Wie lange habe ich geschlafen?«
»Fast vierundzwanzig Stunden«, sagt Dr. Watase.
Wir haben also einen ganzen Tag und eine Nacht in den Ruinen verbracht und ich habe diese ganze Zeit verschlafen. Ich sehe mich um und versuche herauszufinden, was geschehen ist, nachdem ich umgekippt bin. In dem Gebäude, in dem ich mich befinde, sind nur Leute von der Erde. Sie sehen alle irgendwie zerknittert aus, sogar Dad. Sie haben in ihren Sachen geschlafen und niemand hat etwas gegessen. Ich bezweifle, dass einer von ihnen die Gebäude verlassen hat.
Ich stehe auf und meine Wirbelsäule knackt. Der Boden war nicht gerade der bequemste Ort zum Schlafen, obwohl meine Eltern anscheinend versucht haben, mir mit Jacken und Mänteln eine Art Bett zu bauen. Anfangs wollen Dr. Watase und Mom mir beim Gehen helfen, aber ich will nur meine Muskeln strecken, und die Nachwirkungen der Blüten verfliegen schnell.
Ich wandere an der Wand entlang und fahre mit den Fingern über die schmutzig gelben Steine. Der Raum hat dieselbe Größe wie ein Zimmer auf der Erde und Türen und Fenster passen perfekt zu menschlichen Bewohnern. Eine Treppe führt ins obere Geschoss. »Das ist komisch, nicht wahr?«, bemerke ich.
Mom braucht nicht zu fragen, wovon ich rede. »Allerdings.« Dann senkt sie die Stimme. »Dein Vater macht sich Sorgen.«
Wir beide bleiben am Fenster stehen und sehen zu, wie er sich draußen halblaut mit Emma unterhält. Die beiden sehen gereizt und müde aus. Dad dreht sich zu uns um, als könnte er unsere Blicke spüren, und schenkt uns ein mattes Lächeln, das seine Augen aber nicht erreicht.
Mir wird erst jetzt bewusst, dass Dad irgendwie gefangen aussieht. Denselben Ausdruck hatte Junior nach dem Tod des Ältesten. Als säße er in der Falle.
Dad dreht sich wieder zu Emma um und spricht weiter.
Ich fahre mit einem Finger über die Wand aus Stein. Aus der Nähe betrachtet ist gut zu sehen, dass die Häuser wirklich aus großen, von Hand behauenen Steinen erbaut sind, die dieselbe Farbe haben wie der Boden. Sie sind
mit Absicht
so gebaut worden, aber jetzt sind sie leer und schon so lange verlassen, dass gerade noch ein schwaches Echo ihrer Erbauer in den Steinwänden zu fühlen ist.
Meine Hand wandert zum Fenster und die Finger fahren in die Vertiefung im Fensterbrett. Sie ist perfekt quadratisch, jede Kante schnurgerade und sorgfältig aus dem Stein herausgearbeitet.
»Wir wissen nicht, wofür das ist«, sagt Mom und betrachtet das kleine viereckige Loch, »aber so eine Mulde befindet sich in den Fenstern aller Häuser.«
Dr. Watase tritt vor. »Wer immer diese Häuser gebaut hat, war offenbar zu Empfindungen fähig«, sagt sie. »Unsere Wissenschaftler vermuten, dass die ursprünglichen Bewohner eine Art Heiligenfigur besaßen, die sie hier hinstellten. Vielleicht sind ihre Götter mit der Sonne verbunden; die Fenster sind alle auf das Licht ausgerichtet.«
Emma geht weg und Dad sieht ihr hinterher. Ich weiche Dr. Watase aus, steuere auf meinen Dad zu und schlinge die Arme um ihn; so wie früher, als ich noch glaubte, dass er jedes Problem lösen könnte. Seine finstere Miene verschwindet. »Ich bin froh, dass du wieder in Ordnung bist, Amy«, sagt er und gibt mir ein Küsschen auf den Kopf.
»Natürlich bin ich in Ordnung.« Ich grinse ihn so breit an, wie ich kann.
Er drückt
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