Godspeed | Die Ankunft
Colonel Martin.
Ich muss wieder daran denken, wie wir das Gefühl hatten, als wäre das Shuttle vom Kurs abgebracht worden. War das eine Fehlfunktion, hatte es etwas mit den Riesenvögeln zu tun oder war es ein Angriff von Wem-auch-immer, der diese Häuser gebaut hatte?
Das veränderte alles.
»Ich traue dem Frieden nicht«, fährt Colonel Martin fort.
Ein Blitz zuckt über den Himmel. Dicke Wassertropfen beginnen zu fallen. Meine Leute fangen an zu schreien. Dieser Regen ist ganz anders als der »Regen« auf der
Godspeed
. Da waren es kontrollierte Schauer, die regelmäßig aus der Sprinkleranlage in der bemalten Decke fielen. Aber das hier? Kein gleichmäßiges Fallen, keine sinnvolle Verteilung. Die dicken Tropfen platschen durch die Blätter, prasseln auf uns herab und laufen kalt an uns herunter.
»Was ist das?«, kreischt eine Frau. Sie wischt sich hektisch über den Körper und versucht, den Regen abzustreifen, aber das geht natürlich nicht. Es regnet immer weiter.
Ich springe auf den Felsen, auf dem Colonel Martin immer noch steht. »Hören Sie«, sage ich, »meine Leute sind nur noch wenige Augenblicke von einer Panik entfernt. Wir müssen uns unterstellen, und zwar
sofort
. Diese Gebäude sind unsere beste Option!«
Colonel Martin sieht mich genauso verächtlich an, wie der Älteste es getan hat, als ich die Glühbirnen auf dem Regentendeck für echte Sterne gehalten habe. »Du willst dich mit deinen Leuten lieber mit Gott-weiß-was in diesen Häusern verstecken, statt ein bisschen Regen zu ertragen?«
»Für uns ist das nicht nur ›ein bisschen Regen‹. Außerdem sagen Sie doch selbst, dass die Gebäude vermutlich verlassen sind.«
»Dazu kommt«, sagt Emma, »dass die Blitze gefährlich sind. Wir müssen uns von den Bäumen fernhalten, können aber auch nicht auf das flache Land oder in die Nähe des Sees gehen. Es ist sicherer, Schutz zu suchen. Hier oder
irgendwo anders
.«
Emma und Colonel Martin tauschen einen vielsagenden Blick, und an seiner finsteren Miene kann ich erkennen, dass Amys Vater nicht gefällt, was Emma andeutet.
»Trupp Eins und Zwei«, bellt Colonel Martin. Emma steht sofort stramm und die anderen Soldaten versammeln sich um sie. »Geht voran und inspiziert die Gebäude. Bericht über Funk. Abmarsch!«
Emma rennt los, gefolgt von den Soldaten der beiden Trupps. Chris scheint nicht zu ihnen zu gehören, denn er weicht nicht von Amys Seite.
Colonel Martin sieht nicht besonders glücklich aus, aber er geht trotzdem auf die Wiese zu, und seine Schritte walzen eine Schneise in das hohe gelbgrüne Gras. Hier im Freien sind meine Leute noch ängstlicher und nervöser als vorher. Ich sehe mich im Gehen immer wieder um, was mich beinahe zu Fall bringt, aber ich will alle im Auge behalten.
Amy sprintet an meine Seite. Ich schaue mich erneut um, kann den lästigen Chris aber nirgendwo entdecken. »Was ist das hier?«, fragt Amy. Sie ist ganz atemlos, aber nicht vom Rennen, sondern vor Aufregung.
»Keine Ahnung.« Ich hasse es, dass ich mich so kindisch fühle, wenn ich Amy und Chris zusammen sehe, aber ich kann nichts dagegen tun.
Je weiter wir uns vom Waldrand entfernen, desto schneller werden meine Leute, bis wir alle schließlich über die Wiese rennen und uns das hohe Gras an die Beine klatscht. Der Regen lässt die Halme an der Haut und an den Sachen kleben, und das Gras, das wir bei unserem wilden Sturm auf die Gebäude niedertrampeln, verströmt einen süßen Geruch.
Aus dem Funkgerät an Colonel Martins Schulter dringt ein Knistern. »Alles klar, Sir«, meldet Emma über Funk.
Colonel Martin schaut zurück. »Wir gehen zu diesen Häusern«, brüllt er und schwenkt einen Arm.
Mehr brauchen meine Leute nicht zu hören. Sie überholen ihn und rennen, so schnell sie können, um endlich diesem Gewitter zu entfliehen. Es regnet jetzt immer heftiger, und das Wasser rauscht dermaßen vom Himmel, dass ich kaum noch etwas sehen kann. Amy ergreift meine Hand, die ebenso glitschig ist wie meine, und zieht mich hinter sich her.
Ein greller Blitz erhellt den Himmel und taucht Amy in ein Licht, das sie einen kurzen Moment lang einzufangen scheint, so ähnlich wie zu der Zeit, als sie noch eingefroren war.
Rund um uns herum rennen alle um ihr Leben. Blinde Panik, Angstschreie – jetzt zählt nur noch der Überlebensinstinkt.
Aber Amy rennt grinsend und mit offenem Mund durch den Regen und ihre Augen funkeln; sie genießt jede Sekunde.
[zurück]
17 Amy
Um meine Freude und
Weitere Kostenlose Bücher