Godspeed | Die Ankunft
Lorin in der Menge verloren gegangen ist, hat uns beiden keine Ruhe gelassen; so etwas darf nicht wieder passieren. »Ist das keine gute Nachricht?«
»Sie ist tot.«
Ich mache große Augen, erst vor Schreck, dann vor Ärger. Tot?
»Wie?«, frage ich.
Amy schüttelt den Kopf. »Ich weiß nur, dass sie tot ist – genau wie Juliana Robertson, die losgeschickt wurde, um sie und Dr. Gupta zu finden. Ich weiß nicht, wie. Dr. Gupta wird immer noch vermisst. Ich habe es gerade gehört –«
Sie hat von den Todesfällen erfahren, und obwohl ihr Vater es verboten hat, ist sie sofort zu mir gekommen, um es mir zu sagen.
»Wo?«, frage ich.
Amy schüttelt den Kopf. »Ich weiß es nicht. In der Nähe des Sees, nehme ich an.«
»Ich muss da hin.«
Sie packt meinen Ellbogen. »Das geht nicht. Dad würde ausflippen –«
»Und?« Meine Gedanken überschlagen sich. Dieser Planet ist viel gefährlicher, als ich ursprünglich angenommen habe. Dieser Riesenvogel, der versucht hat, mir das Gesicht abzufressen, die Fußspuren im Wald von etwas, das uns beobachtet hat, die Blumen, die Amy beinahe getötet haben, und jetzt noch zwei Tote …
Es gibt so vieles, das wir nicht verstehen. Und es ist unsere Unwissenheit über diesen Planeten, die uns umbringen wird.
Unsere Unwissenheit …
Aber einer weiß etwas. Es gibt eine Person, die schon die ganze Zeit gewusst hat, welche Bedrohungen in dieser Welt auf uns lauern. Und dieses Wissen kann uns jetzt retten.
Ich muss an Orions letzte Worte denken, die er mit bebender Stimme auf einem Floppy für Amy zurückgelassen hat.
Ist das Schiff so schlimm, dass du dich den Ungeheuern da unten stellen willst? Ist es das wert, dein Leben – und das aller anderen – zu riskieren?
Mein Blick trifft den von Amy.
Er
wusste
Bescheid.
»Orion«, sage ich. Er kann uns informieren. Wir werden nicht zulassen, dass er wieder in Rätseln spricht, werden ihn zwingen, uns alles zu verraten, was er weiß. Wenn er nicht …
Amy wird leichenblass. »Orion«, flüstert sie und starrt mich an. »Junior,
Orion
. Wir haben nicht – wir haben es vergessen … seinen Timer.«
Mist.
Seit uns das Shuttle ausgesperrt hat und wir in die Ruinen flüchten mussten, haben wir seine Zeitschaltuhr nicht wieder eingestellt.
Amy und ich rennen los, rasen zwischen den Bäumen durch und nehmen uns nicht einmal die Zeit, den Himmel nach weiteren Riesenvögeln abzusuchen, die uns womöglich angreifen wollen. Einen kurzen Moment lang fürchte ich, dass wir den Rückweg zum Shuttle nicht finden, aber der Auszug der rund fünfzehnhundert Leute hat genügend Spuren hinterlassen, die uns den Weg zeigen. Einen Unterschlupf zu finden, schien eine Ewigkeit in Anspruch zu nehmen, aber das lag wohl nur daran, dass wir so viele waren und nicht wussten, wohin wir gingen – wir wussten nur, dass die Sonde Wasser gefunden hatte. Aber jetzt sind wir nur zu zweit, und zum Shuttle zurückzulaufen geht viel schneller, als ich erwartet habe.
Amy sprintet die Rampe hoch und rüttelt an der Tür. »Immer noch verriegelt«, knurrt sie.
Ich lasse mich in den Sitz an der Kontrolltafel fallen. Es muss irgendetwas geben, das ich tun kann. Ich fahre mit einer Hand über alle Schalter und lasse den Computer einen kompletten Systemcheck vornehmen.
»Warum warst du nicht da?«, fragt Amy, während ich die Kontrolllämpchen anstarre und auf die Ergebnisse warte.
»Wo?«, frage ich. Die Sensoren scheinen einwandfrei zu arbeiten – aber wieso ist das Shuttle dann noch abgeschottet?
»Als ich aufgewacht bin.«
Meine Finger schweben reglos über den Schaltern und Reglern. Soll ich ihr sagen, dass ich die Nacht vor dem Gebäude verbracht habe, in das ihre Eltern sie gelegt haben, direkt unter dem Fenster, um sofort zu hören, wenn sie aufwacht? Soll ich ihr sagen, dass ich bei Sonnenaufgang als Erstes auf Zehenspitzen stand, um ihr im Morgenlicht ins Gesicht sehen zu können – und zwar noch bevor ich mit Kit bei meinen Leuten nach dem Rechten geschaut habe? Dass ich kaum geschlafen habe, gequält von Schuldgefühlen, weil
ich
es war, der sie beinahe getötet hätte … schon wieder?
»Ich hätte da sein sollen«, sage ich. »Es tut mir leid.«
Amy schnauft hörbar. Ich werfe ihr einen kurzen Blick zu, doch sie sieht nicht mich an, sondern die verschlossene Tür. »Wir müssen sie irgendwie aufbekommen«, sagt sie, was wohl bedeutet, dass sie meine Entschuldigung akzeptiert.
Ich tauche unter das Schaltpult und suche nach der
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