Godspeed | Die Ankunft
kleinen Box mit der Aufschrift SICHERUNGEN UND SENSOREN . Die Drähte, die zu den Luftdrucksensoren führen, sind mit schwarzem Klebeband umwickelt. Sie müssen schon vor langer Zeit ausgefranst oder sonst wie kaputtgegangen sein und wurden nur notdürftig repariert – kein Wunder, dass es zu einer Fehlfunktion kam. Es wundert mich allerdings, dass das Band immer noch klebrig ist; die Reparatur ist doch sicher schon vor vielen Generationen vorgenommen worden.
Aber egal, jetzt scheint alles in Ordnung zu sein. Und wenn die Sensoren nun einwandfrei funktionieren – und ich keine Ahnung habe, wieso sie überhaupt versagt haben –, sollte ich die Abriegelung manuell aufheben können.
Als ich unter dem Schaltpult hervorkrieche, blinkt auf dem Bildschirm schon wieder die Aufforderung, den militärischen Autorisierungscode einzugeben. So ein Mist. Ich kenne Colonel Martins geheimen zehnstelligen Code nicht. Also versuche ich, ihn zu umgehen. Es muss einen anderen Weg geben – immerhin hat Orion es geschafft, jede Tür an Bord der
Godspeed
zu öffnen, darunter auch die Türen dieses Shuttles.
Wenn Orion es konnte, kann ich es auch. Ich konzentriere mich wieder auf den Computer, doch diesmal rufe ich die gespeicherte Passwortliste auf. Das ist ganz einfach, denn außer Amy und mir hat kaum jemand das Shuttle betreten, solange es noch am Schiff angedockt war. Es dauert nicht lange, bis ich denselben Code immer und immer wieder finde: K-A-Y-L-E-I-G-H . Man muss kein Genie sein, um zu erkennen, dass dies der neue Code ist, mit dem Orion den Computer programmiert hat. Es passt, dass er ihren Namen gewählt hat, Kayleigh, deren Leiche im Teich treibend gefunden wurde, genau an der Stelle, an der das Wasser den geheimen Einstieg ins Shuttle verbarg.
Amy geht mir aus dem Weg, als ich aufspringe und zum Tastenfeld an der Tür renne. Ich tippe den Code ein und die Versiegelung löst sich mit einem Zischen.
Ich stoße die Tür auf und will hindurchgehen, doch Amy packt meinen Arm. »Wenn er wach ist«, sagt sie, »müssen wir ihn wieder einfrieren.«
Ich schüttele den Kopf. »Auf keinen Fall! Wenn er wach ist, müssen wir ihn ausfragen. Amy, er ist der Einzige, der weiß, womit wir es hier zu tun haben. Er wusste, dass es hier Monster gibt, also wird er auch wissen, was für welche es sind. Vielleicht kann er uns helfen, sie zu bekämpfen.«
»Wir fragen ihn aus und frieren ihn dann wieder ein«, verlangt Amy unnachgiebig. Ihre Stimme klingt entschlossen, aber ich sehe Angst und Schmerz in ihren Augen. »Wir können es uns nicht leisten, ihn hierzulassen. Denk doch nur an das Chaos, das er verursachen kann … was er den Leuten von der Erde antun wird, jetzt, wo sie wach sind.«
Ich sage nichts dazu. Amy wird Orion immer für durch und durch schlecht halten. Sie sieht nicht, was ich sehe. Sie sieht sich nicht selbst in ihm.
Amy lässt mich los und ich stoße die Tür weiter auf.
»Du lässt mich doch nicht im Stich, oder?«
Ich erstarre. Ihre Stimme klang zwar ruhig und gelassen und war fast nur ein Flüstern, aber sie war von einer solchen Traurigkeit erfüllt, wie ich sie von ihr noch nie gehört habe.
Ohne auf meine Antwort zu warten, drängt sich Amy an mir vorbei und betritt das Shuttle.
Drinnen herrscht eine unheimliche Stille. Staub tanzt in der Luft. Sogar unsere Schritte klingen gedämpft.
Ich rechne fast damit, dass Orion entspannt im Kryo-Raum sitzt und auf uns wartet.
Aber das tut er natürlich nicht.
»Hier drin«, flüstert Amy und geht auf die Tür des Genlabors zu. Die Luft im Shuttle ist abgestanden und stickig. Wie konnten wir jemals in Betracht ziehen, hier drinnen zu leben anstatt draußen?
Amy drückt ihren Daumen auf den biometrischen Scanner. Sie hält den Atem an, bis die Tür aufzischt.
Wir betreten das Labor.
»Wo ist er?«, fragt Amy. Sie starrt die Kryo-Kammer an. Bisher war Orions gefrorenes Gesicht durch das Bullauge zu sehen, aber jetzt ist nichts mehr hinter dem kleinen Fenster. Keine Kryo-Flüssigkeit. Kein Orion.
»Das ist unmöglich«, sage ich.
Amy sieht sich im Labor um, als fürchtete sie, dass Orion hinter der Phyduspumpe hervorspringt und »Buh!« ruft. Aber ich gehe zur Kryo-Kammer und mein Magen verkrampft sich vor Anspannung. Der Timer an der Kammer steht auf 00 : 00 : 00 .
Orion liegt am Boden der Kammer. Seine Haut ist rot und zerschunden, und er sieht nicht wie ein Mensch aus, sondern eher wie ein Haufen Fleisch. Aber er zittert, und nur daran erkenne
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