Godspeed | Die Ankunft
eingefroren.«
»Ich fühle …« Er schluckt, und sogar das sieht aus, als wäre es schmerzhaft. »Ich fühle mich nicht wohl.«
»Ich weiß«, sagt Junior sanft. »Ich weiß.« Einen Moment später fügt er hinzu: »Es tut mir leid.«
Orion dreht sein Gesicht in Juniors Richtung – und in meine. Einen Moment lang sieht es aus, als würde er mich mit seinen getrübten Augen ansehen. Aber er sieht mich nicht, er ist blind. »Ich gebe dir keine Schuld«, sagt er und jetzt klingt seine Stimme deutlich kräftiger.
Junior lässt den Kopf hängen. Orion mag ihm versichern, dass ihn keine Schuld trifft, aber er weiß es besser.
»Vielleicht habe ich es verdient. Ich gebe auch ihr keine Schuld.«
Mir bleibt das Herz stehen. Er spricht von
mir
.
»Dieses Mädchen … ich bin froh, dass du sie hast. Froh, dass sie aufgewacht ist. Ich hatte auch versucht zu rebellieren, das weißt du. Hatte aber kein Mädchen wie sie. Habe nur neue Narben davongetragen.« Er berührt seinen Hals. »Ich scheine eine Menge Narben zu haben.« Seine Hand wandert weiter zu den Augen. Er bedeckt sie mit der Handfläche und lässt den Kopf sinken.
»Wir sollten nicht hier sein«, sagt er.
»Wir mussten –«, beginnt Junior erneut, aber Orion fällt ihm ins Wort.
»Nein, musstet ihr nicht.« Er hustet qualvoll. »Ihr habt den Planeten gesehen und konntet euch nicht beherrschen. Ich weiß das. Ich habe ihn auch gesehen. Aber ich war klug genug, unsere Leute auf der
Godspeed
zu lassen, wo sie in Sicherheit waren.« Wieder hustet er, doch diesmal spritzt Blut auf seine geschwollenen Lippen. »Schätze, ich habe es nicht verdient, den Planeten zu sehen, jetzt, wo ich tatsächlich da bin.«
Es ist so viel Sehnsucht in seiner Stimme.
Und zum ersten Mal wird mir bewusst, dass ich doch etwas mit Orion gemeinsam habe.
»Ich habe meine eigenen Gründe, es zu bedauern«, sagt Orion. Junior sieht aus, als würde er gern etwas sagen, doch er bringt kein Wort heraus.
Jetzt fließt noch mehr Blut über Orions Kinn und auch seine Augen haben angefangen zu bluten. Er zerfällt vor unseren Augen. »Ich habe ihnen nie beim Sterben zugesehen«, krächzt er und fasst damit den Gedanken, den ich selbst gerade erst hatte, in Worte. »Hätte ich es getan, hätte ich sie vielleicht nicht ertrinken lassen.«
»Orion«, sagt Junior schließlich. »Wir brauchen Hilfe.«
Orions Hand tastet auf der Tischplatte herum und sucht nach der Kante. »So … müde …«
»Was kannst du uns über die Monster auf diesem Planeten sagen?«, fragt Junior ihn eindringlich. Orion liegt im Sterben, aber wir können ihn nicht gehen lassen, solange er uns seine Geheimnisse nicht verraten hat.
»Sklaven oder Soldaten«, sagt Orion. Er sinkt langsam auf die Tischplatte, bis er auf der Seite liegt und seine Beine herunterhängen. »Ich hab’s dir gesagt – Sklaven oder Soldaten.«
»Nicht die Eingefrorenen«, sagt Junior. »Ich rede nicht von denen. Ich weiß, wie gefährlich sie sind. Aber ich muss wissen, was mit den Kreaturen auf dem Planeten ist. Was weißt du über die Monster, die uns hier erwarten?«
Orions Körper krümmt sich – war das ein Lachen? Oder etwas Schlimmeres?
»Sag es uns!«, drängt Junior, der jetzt lauter wird. »Du musst es uns sagen! Wir müssen wissen, womit wir es zu tun haben! Es sind schon Leute
gestorben
.«
»Und?«, krächzt Orion. »Ich sterbe auch.«
»Du
musst
uns alles sagen!« Junior packt Orions Arm.
Der Arm platzt unter Juniors Griff auf, und Orion holt keuchend Atem für einen Schrei, den seine Kehle nicht hervorbringen kann. Junior reißt erschrocken die Hand weg, als sich Orion vor Schmerzen windet.
Einen Moment später spricht Orion wieder, doch seine Stimme klingt jetzt deutlich schwächer. »Sag nicht, du hast sie nicht gefunden.« Er hustet trocken, und es klingt, als würde man Papier zerreißen. »Oh, kleiner Prinz, sag mir nicht, dass du nicht allen Hinweisen gefolgt bist.«
»Wir haben keine Zeit mehr für Hinweise.« Junior verlegt sich aufs Betteln, und es hört sich an, als würde er gleich anfangen zu weinen. »
Sag
es mir einfach.«
Orion versucht, sich wieder aufzusetzen, schafft es aber nicht. Stattdessen dreht er Junior das Gesicht zu. Seine blinden Augen sind geschlossen, denn es übersteigt bereits seine Kräfte, die Lider zu öffnen. »Zeig mir die Welt«, sagt er und bemüht sich, die Worte hörbar auszusprechen. »Bitte.« Es liegt kein Flehen in seiner Stimme – es ist einfach ein Wunsch, den er
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