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Godspeed | Die Ankunft

Godspeed | Die Ankunft

Titel: Godspeed | Die Ankunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beth Revis
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äußert.
    Junior sieht verwirrt aus und irgendwie verdutzt. Aber ich weiß, was Orion will. Er wird erst reden, wenn wir ihn nach draußen gebracht haben.
    Ich erhebe mich, gehe so leise zur Tür, wie ich kann, und bedeute Junior, mir zu folgen. Junior schiebt den Rolltisch vor sich her. Die einzigen Geräusche im Kryo-Raum sind unsere Schritte und das Rattern des Tischs auf dem Metallboden.
    Und Orions Keuchen. Er liegt auf dem Tisch und klammert sich noch einen Moment länger an sein Leben.
    Als Junior den Tisch durch den Flur zur Brücke schiebt, rutscht Orions Körper über die Metallplatte. Er schnappt nach Luft, etwas rasselt in seiner Brust, und als Blut aus seinem Mund quillt, reißt er die blinden Augen weit auf. Jetzt sind es nicht mehr nur seine Mundwinkel, die bluten; in seinem Inneren ist etwas gerissen.
    Als wir kamen, haben wir die Tür zur Brücke offen gelassen, aber ich muss zuerst hindurchgehen und ein Ende des Tischs über die Schwelle der luftdicht schließenden Tür heben. Falls Orion gemerkt hat, dass außer Junior noch jemand bei ihm ist, lässt er es sich zumindest nicht anmerken.
    Draußen angekommen, dreht er sein Gesicht den Sonnen zu. Sie stehen jetzt höher am Himmel, direkt oberhalb der Bäume. Orion sieht auf dem matten Metalltisch irgendwie kleiner aus, aber seine Augen sind weit geöffnet und huschen herum, als hoffte er, etwas von der neuen Welt sehen zu können. In diesem Augenblick tut er mir leid, aber dann muss ich wieder daran denken, wie Theo Kennedys Augen im Sterben hervorgequollen sind, und mein Mitleid ist wie weggeblasen.
    Orion hebt einen Arm, als wollte er nach etwas greifen. Er atmet die frische Luft tief ein. Sein Körper scheint nur noch aus geweiteten Nasenlöchern zu bestehen, und sein Geruchssinn ist alles, was zählt. Eine warme Brise weht über uns hinweg, und er dreht den Kopf und lauscht, wie der Wind die Blätter des Waldes zum Rascheln bringt.
    Sein Körper konzentriert sich auf die Sinne, die ihm noch geblieben sind, und er nimmt die Welt so komplett in sich auf, wie er nur kann.
    Langsam sinkt sein Arm herab. Seine Mundwinkel verziehen sich nach oben.
    Er seufzt – und mit diesem Seufzer verlässt ihn das letzte bisschen Leben.
    Das wenige Licht, das noch in seinen Augen zu sehen war, verblasst.

[zurück]
22 Junior
    »Es ist vorbei.«
    Amy sagt diese Worte, aber ich kann es noch nicht begreifen.
    Es kann nicht vorbei sein. Orions blinde Augen starren immer noch in die Welt, die er nie sehen wird.
    Ich bringe es nicht fertig, sie zu schließen.
    »Er war ich, weißt du?« Ein Ich, das ganz allein die Wahrheit gefunden hat. Ein Ich, dem die Sicherheit meiner Leute über alles ging. Alles Gute in meinem Leben kam von ihm und ich habe ihm nie etwas zurückgegeben. »Technisch gesehen, meine ich.«
    »Ich weiß«, sagt Amy.
    »Tut mir leid«, flüstere ich Orion zu, denn auch wenn er ein Mörder war, hat er das hier nicht verdient. Er hat es nicht verdient, dass man ihm den Planeten wieder genommen hat, gleich nachdem er ihn bekam.
    Ich kann Amy nicht in die Augen sehen, als ich mich auf den Boden sinken lasse und den Kopf am harten Metall des Shuttles hin- und herrolle. Es ist hoffnungslos. Wir hätten niemals herkommen dürfen. Wir hätten auf der
Godspeed
bleiben sollen.
    »Wir werden es herausfinden«, versichert mir Amy. »Wir werden nicht zulassen, dass alle sterben.« Sie setzt sich neben mich und legt den Kopf auf meine Schulter. Ein paar Minuten lang sitzen wir schweigend beieinander, und ich finde mich mit der Erkenntnis ab, dass ich meine Leute nicht retten kann, wenn ich nicht weiß, wovor ich sie beschützen muss. Amy lehnt sich an mich, als wollte sie mich daran erinnern, was Orion nicht hatte.
    »Junior«, sagt sie nach einer Weile, »wie nannte er dich?«
    »Was? Wann?«
    »Er hat uns einen Hinweis gegeben«, verkündet sie fasziniert. »Bevor er gestorben ist …« Sie verstummt und springt auf.
    »Wie meinst du das?«, frage ich, und mein Herz schlägt plötzlich schneller. Als auch ich vom Boden aufstehe, sind meine Knie vor lauter Hoffnung ganz weich.
    »Ein Hinweis! Ich weiß nicht, ob es Absicht war oder nicht, aber er hat uns einen Hinweis gegeben.«
    »Was für einen Hinweis?«
    »Denk doch nach«, sagt Amy aufgeregt. »Denk an die Spur aus Hinweisen, der wir gefolgt sind.«
    In Gedanken gehe ich alles durch. Harleys Gemälde, Amys Dra-Kom. Shakespeare und Dante. Und dann noch ein Buch …
    »Du hast es vergessen – kein Wunder,

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