Godspeed | Die Ankunft
weil die Raumanzüge in diesem Moment das Einzige waren, was dich interessiert hat.« Ihre Augen funkeln.
»Raumanzüge?«
Amy nimmt meine Hand und zieht mich zurück zum Eingang des Shuttles. »Du weißt doch noch, wie wir den Raum mit den Anzügen entdeckt haben, nicht? Da lag ein Buch, genau wie die anderen, die Orion uns hinterlassen hat, aber in diesem Buch war kein Hinweis. Erinnerst du dich, welches Buch es war?« Ihre Stimme klingt eindringlich, beinahe manisch.
Ich schüttele den Kopf. Ich habe nicht darauf geachtet, weil ich in diesem Moment nur einen Gedanken hatte: Die
Godspeed
zu verlassen und das Universum zu sehen, von dem mich Stahlwände mein Leben lang ferngehalten hatten.
»Ich weiß es«, verkündet Amy grinsend. »Das Buch. Es war
Der kleine Prinz
.« Sie wirbelt so schnell zu mir herum, dass ihr die Haare um den Kopf fliegen. »Und wie hat er dich genannt?«
»Kleiner Prinz«, antworte ich automatisch. Einen kurzen Augenblick lang wirkt Amys Hoffnung ansteckend. Aber nein – »Das kann kein Hinweis gewesen sein«, sage ich. Mein Blick huscht zu Orion, der immer noch blicklos in den blauen Himmel starrt. »Er wollte mich sicher nur aufziehen, mir sagen, dass ich zwar der Anführer bin, aber keinen besonders guten Job mache. Aber wir haben das Buch und auch den Hinweis darin schon gefunden.«
Amy runzelt nachdenklich die Stirn. »Was für ein Hinweis?«
Ich zucke mit den Schultern. »Nur eine Textstelle.«
»Nein, ich meine, was hat dieser Hinweis uns gezeigt? Jeder Hinweis, den Orion uns hinterlassen hat, hatte eine Bedeutung. Einer führte zum anderen und jedes Teilchen war wichtig. Was war an diesem Hinweis wichtig?«
»Er war dort, wo die Raumanzüge aufbewahrt wurden.«
Amy schüttelt den Kopf. »Aber deswegen haben wir die Anzüge nicht gefunden – dieser Hinweis war in dem Sonett versteckt.«
»Und?«
»Wir haben etwas nicht mitbekommen«, sagt Amy. »Orion wusste noch etwas über das Schiff oder die Mission, das uns dieser Hinweis mitteilen sollte … aber das hat er nicht. Wir haben einen Hinweis übersehen.«
Sie hat recht. Als wir das kleine Buch fanden, war ich erst von den Raumanzügen abgelenkt und dann vom Planeten. Und Amy hatte die Tatsache abgelenkt, dass ich beinahe gestorben wäre. Alles ist so
schnell
passiert … und wir haben etwas übersehen. Einen letzten Hinweis, einen, der uns verraten wird, womit wir es hier auf der Zentauri-Erde aufnehmen müssen.
Ich steuere direkt auf das Lager mit den Raumanzügen zu, die erste Tür hinter der Brücke. Der Raum ist immer noch mit den Vorräten vollgestopft, die wir von der
Godspeed
mitgebracht haben. Ich starre die Kisten mit Lebensmitteln an, die Stoffballen und medizinischen Geräte und alles andere, vor dem wir dachten, dass wir es brauchen würden.
Und dann wird es mir klar: »Das Buch ist ganz sicher nicht mehr hier.« Eigentlich war es dumm von mir, herzukommen und nachzusehen. Ich wusste, dass es nicht mehr da sein würde. Wir hatten diesen Raum leer geräumt und mit landwirtschaftlichen Geräten und Vieh vollgestopft. Und irgendwann im Laufe der Beladung konnte jemand das dünne Buch genommen und
Der kleine Prinz
weggeworfen haben. Es konnte auf der
Godspeed
sein. Vielleicht war es auch im Müll gelandet. Vernichtet.
Vielleicht war wirklich ein weiterer Hinweis im Buch gewesen. Aber was es auch war, das Buch ist längst verschwunden.
Amy lacht. »Oh, du Kleingläubiger«, scherzt sie. »Ich war dabei, als dieser Raum gepackt wurde. Ich wollte das Buch in die Bibliothek zurückbringen, aber …« Sie betrachtet die Kisten, die sich vor uns auftürmen. »Hilf mir bitte hoch.«
»Was?«, frage ich verdutzt.
»Hilf mir hoch.« Sie stützt sich auf die nächstbeste Kiste und winkelt das Bein an. Ich lege beide Hände um ihren Unterschenkel und helfe ihr, sich abzustoßen. Sie krabbelt auf den Kistenstapel.
»Was machst du da?«, rufe ich ihr nach.
Sie klettert über die Kisten, stolpert ein paar Mal, und einmal versinkt ihr Fuß in einer Kiste mit Stoff, was ihr einen Fluch entlockt. »Ich weiß, dass wir abgemacht haben, keinen Platz für Dinge zu verschwenden, die nicht lebensnotwendig sind, aber …« Sie verstummt, denn jetzt steht sie vor der Wand, und ihre Augen sind auf gleicher Höhe wie der kaputte Monitor, der zeigen sollte, wie die Raumanzüge angelegt werden. »Aber ich konnte dieses Buch einfach nicht zurücklassen.«
Amy bohrt die Finger unter den Monitor, der in die Wand eingelassen
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