Goebel, Joey
einem schlechten Menschen?«
»Nein, aber hier hast du Gelegenheit, Gutes zu tun, statt nur auf deinem Geld zu sitzen. Ich verlange ja nicht viel – nur genug, um ihr beim Kauf von Medikamenten, Lebensmitteln und Sauerstoff zu helfen. Sauerstoff, verdammt! Mein Gott, ich begreif nicht, wo da das Riesenproblem sein soll!«
»Das geht zu weit, Eugene. Erstens, meine eigene harte Arbeit und mein Einfallsreichtum haben mich in das oberste eine Prozent gebracht, und verdammt sollst du sein, das lasse ich mir von dir nicht schlechtmachen. Mein Reichtum ist nicht nur ein Geburtszufall. Ich habe mein Vermögen verdient. Und wenn ich das Geld horte, wie du sagst, dann horte ich es für euch. Ich horte es für dein Wohlergehen und das deiner zukünftigen Kinder. Deswegen lasse ich mir keine Schuldgefühle einreden. Wir sind in Amerika, und hier hat jeder die gleichen Chancen zum Aufstieg, auch Bernice Munly.«
»Aber du hattest einen Vorsprung. Wir waren schon seit langer Zeit Tabakbarone –«
»Ich rede –«
»Sogar Amerika darf manchmal Fehler machen, oder?«
»Du klingst mehr und mehr wie ein Landesverräter.«
»Sag das nicht. Ich liebe dieses Land, sonst wäre ich nicht einmal –«
»Wo ist dein Patriotismus?«
»Hier ist er!«, rief Blue Gene und wies auf seinen Brustkorb hinter dem John-Deere-Tank-Top. »Ich bin kein –«
»Du spuckst jedem Mann ins Gesicht, der je für dieses Land gekämpft hat.«
[389] Blue Gene sprang auf. »Aber du hast nicht gekämpft!« Er merkte, dass er schrie und dass Speichelflocken aus seinem Mund flogen.
»Ich zahle für den Kampf.« Henrys Nasenlöcher blähten sich heftig. »Du und deinesgleichen, die die Freiheit wie einen Gott verehren… Wie du sehr wohl weißt, muss diese Freiheit geschützt und erhalten werden, und sie wird durch Geld erhalten. Unser Militär bezahlt sich nicht von selbst. Willst du etwa behaupten, wir sollten zulassen, dass unser Militär geschwächt wird, und uns mit einem neuen Angriff abfinden?«
»Du und John, ihr redet alles Mögliche, was sich gut anhört, und dennoch, gekämpft habt ihr nicht. Ihr wart noch nicht mal Reservisten, stimmt’s? Ich durfte nicht kämpfen, weil ich ein Krüppel bin: Was ist deine Ausrede?«
»Wenn du dich nicht anständig benehmen kannst, muss ich dich bitten zu gehen.«
»Ich bin anständig.«
»Ich war zu jung, um für den Koreakrieg eingezogen zu werden, wenn du es unbedingt wissen willst. Du solltest mich nicht in Frage stellen.«
»Und was ist mit Vietnam?«
»Da durfte ich nicht eingezogen werden, weil ich ein Kind hatte. Wäre John nicht geboren worden, hätte ich gern für mein Land gekämpft, doch stattdessen bin ich zu Hause geblieben und habe die Heimatfront gestärkt.«
»Du durftest nicht eingezogen werden, aber du hättest dich freiwillig melden können, nicht wahr?«
»Nein. Wenn du dich nicht anständig benehmen kannst, ist unsere Zeit um. Ich muss zu einer Besprechung.«
[390] »Du und John, ihr kommt immer mit solchen Sachen an, aber ihr lasst euren Worten keine Taten folgen.« Blue Gene setzte sich schwer atmend hin.
»Warum setzt du dich? Ich sagte dir doch, deine Zeit ist um.«
»Aber Dad –«
»Gespräch beendet.« Blue Gene schüttelte den Kopf, stand auf und hinkte zur Tür. »Und wenn du je wieder mit Bernice sprichst, bist du nicht mehr Teil dieser Familie.«
»Bin ich das denn je gewesen?«
Wie Fliegen in einer elektrischen Insektenfalle surrten Gedanken hektisch durch Blue Genes Kopf und zerfielen, ehe sie auf irgendwelchen Schlussfolgerungen landen konnten. Es waren Zweifel, Sorgen, Verdächtigungen und beliebige Zitate aus dem Fahneneid, die alle wegen des irritierenden Gesprächs mit seinem Vater herumschwirrten. Seine Verwirrung darüber, wie er sich gegenüber seiner Familie, Bernice und dem Wahlkampf verhalten sollte, hatte zu einem derartigen geistigen Chaos geführt, dass ihm nichts anderes einfiel, als nach Hause zu gehen, oder vielmehr zu dem, was er momentan Zuhause nannte: dem Poolhaus seiner Eltern. Doch um dorthin zu kommen, musste er fahren, eine Tätigkeit, auf die sich seine wirren Gedanken nicht konzentrieren konnten. Nicht allzu weit vom Büro seines Vaters entfernt überfuhr er ein Stoppschild. Und als er später in die River Town Road einbog, setzte er den Blinker falsch, weil er in seiner Zerstreutheit dachte, den Hebel nach oben zu schieben hieße, man wolle links abbiegen, und nach unten, rechts.
Endlich zu Hause angekommen, riss er sich das
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