Goebel, Joey
Ich wollte nur mal hören, wie’s dir so geht. Ach ja – ich wollte auch wissen, wie es am Wal-Mart gelaufen ist.«
[397] »Lief prima. Ich hab mächtig Reklame für dich gemacht.«
»Toll. Dafür danke ich dir.«
»Gern geschehen.«
»Sonst noch was?«
»Nö.«
»Alles klar. Warum kommst du nicht nach Hause? Dad hätte dich gern noch mal gesehen.«
»Bin nicht in Stimmung.«
»Ach so. Geht’s dir gut?«
»Mir geht’s spitzenmäßig. Mir ist nur nicht nach Reden.«
»Verstehe. Dann lass ich dich wohl einfach in Ruhe.«
»Tschüs.«
Als Blue Gene das Handy ausgeschaltet hatte, schüttelte er den Kopf vor Ärger, weil John so beiläufig geklungen hatte. Doch dann wurde ihm bewusst, dass er genauso beiläufig geklungen hatte und dass er soeben nicht an einem Gespräch, sondern an einer Farce teilgenommen hatte. Er schmiss sein Handy aus dem Fenster in den Straßengraben.
Er hatte sich wirklich den idealen Zeitpunkt ausgesucht, um mit Rauchen aufzuhören. Doch wenn ein Mann wortbrüchig werden und eine Stange Parliament kaufen durfte, dann jetzt. Wenn das stimmte, was er gehört zu haben glaubte, dann hatte er genug Fragen und Sorgen, um eine ganze Lkw-Ladefläche zu füllen. Konnte das ein Dreizehnjähriger überhaupt? Und vielleicht war er damals erst zwölf gewesen. Dann wurde Blue Gene klar, dass er aus dem Stegreif ein paar zwölfjährige Jungs nennen konnte, die schon Kinder gezeugt hatten. Aber die waren echter Abschaum. Keine Mapothers.
[398] John hatte Blue Gene aus dem gewölbeartigen Badezimmer im ersten Stock des mapotherschen Herrenhauses angerufen. Er konnte nicht riskieren, dass sein Vater mithörte, wie er versuchte herauszufinden, ob Blue Gene etwas erfahren hatte, was er nicht wissen durfte. Noch vor etwa einer Stunde hatte er im Erdgeschoss seinem Vater gesagt, er täusche sich, da sei niemand in der Leitung. Doch nachdem er Blue Genes Pick-up hatte vom Gelände rasen sehen und nachdem er mit Blue Gene gesprochen und den ängstlichen Unterton in seiner Stimme gehört hatte, musste John davon ausgehen, dass das siebenundzwanzig Jahre alte Geheimnis durch die Mobilfunkwellen nach außen gedrungen war.
Wenn man nach der Urzelle suchte, aus dem das Geheimnis gewachsen war, fand man es vielleicht tief in einem Wald draußen am Lake Cobalt, mehrere Countys entfernt. Der zehnjährige John stand starr da, seine Mütze ein grellorangener Farbfleck in der braungrünen Umgebung, und eine Flinte vom Kaliber zwölf zitterte in seinen Händen. Er weinte. Es war sein erster Jagdausflug, von dem er anfangs so begeistert gewesen war, der aber seinen Reiz jäh verloren hatte, als in Johns Fadenkreuz ein junger Hirsch aufgetaucht war. Sein Vater hatte ihn angebrüllt, als er das leichte Opfer entkommen ließ, woraufhin John in Tränen ausgebrochen war. Henry befahl ihm, nicht zu weinen, es solle doch Spaß machen, schließlich habe er sich immer gewünscht, sein Vater würde ihn auf die Jagd mitnehmen. John weinte noch mehr. Henry brüllte noch mehr. John konnte vor lauter Schluchzen kaum atmen, und Henry wurde immer frustrierter, bis er John schließlich sagte, er solle sich ruhig gründlich ausheulen, er müsse nämlich bald ein Mann werden.
[399] John saß auf einem Baumstamm, während ihm Henry alles über das erzählte, was Elizabeth prophezeit hatte, als John erst sieben gewesen war. Eigentlich hatten Henry und Elizabeth John erst einweihen wollen, wenn er erwachsen wäre. Denn auch wenn in dem Traum die Ideale Hoffnung und Vollkommenheit vorkamen, war er doch entschieden apokalyptisch und nicht für die Ohren eines Kindes bestimmt, zumal wenn dieses Kind in der Vision eine Hauptrolle spielte, nämlich als Wegbereiter des Messias.
Nachdem John von dem Traum erfahren hatte, bekam er noch wochenlang Weinkrämpfe. Elizabeth sagte ihm, er dürfe ruhig weinen, solange ihn niemand dabei sähe. Sie sagte, sie komme sich sehr hartherzig vor, wenn sie ihm das rate, doch sie wolle ihm nur ersparen, von seinem Vater ausgeschimpft zu werden. Henry glaubte, die Vorbereitungen seines Sohnes auf zukünftige Führungsaufgaben hätten bereits begonnen, und Weinen dürfe nicht geduldet werden.
John nahm sich Elizabeths Rat zu Herzen und achtete darauf, dass bei seinen Heulanfällen nie jemand in der Nähe war. Er schluchzte heimlich im Dunkel seines Kleiderschranks, manchmal eine volle Stunde lang. Er fand es tröstlich und merkte, dass er die gleiche Läuterung, die er beim Weinen erlebte, auch erfuhr, wenn er
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