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Goebel, Joey

Goebel, Joey

Titel: Goebel, Joey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heartland
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bestand gerade mal aus einer Reihe von Fabrikschloten im Süden der Stadt. Und die Gebäude an der innerstädtischen Einkaufsmeile waren vierstöckige rote Backsteinquader, von Architekten ohne jeden Ehrgeiz erbaut, definitiv nichts Aufregendes, nichts Bestaunenswertes, jedoch solide, stabil und für Bashford völlig ausreichend.
    Ein paar Prominente stammten von hier, einige davon wirklich begabt, andere hauptsächlich wegen ihrer Exzesse bekannt, aber sie alle zogen weg und kehrten nie wieder zurück. Der graue und grüne Boden der Gegend war offenbar fruchtbar genug, um Träume hervorzubringen, doch sobald sie herangereift waren, zogen sie in größere Städte und überließen es den jungen Leuten, ob sie ihnen nachjagen wollten.
    Blue Gene sah keinen Sinn darin, fortzuziehen, da er seine Ziele im Leben – Flohmarktverkäufer zu sein und mit der richtigen Frau eine Familie zu gründen – auch verwirklichen konnte, ohne seinen Geburtsort zu verlassen. Außerdem liebte er seine Heimatstadt wirklich, was für einen in Bashford lebenden Mittzwanziger sehr ungewöhnlich war. Für ihn war Bashford wie jede andere Stadt und ein guter Ort, um Kinder großzuziehen. Aber Blue Gene hatte auch mehr von der Welt gesehen als die meisten seiner Altersgenossen, da seine Eltern mit ihm und seinem Bruder an der Ost- und Westküste der USA und in ganz Europa gewesen waren. Er [56] hatte Bauwerke gesehen, deren Anblick ihm das Gefühl gab, ein Idiot zu sein, und er war in Städten gewesen, die so schön und sauber waren, dass er dort am liebsten Müll weggeworfen hätte. Mit jeder Reise lernte er seine Heimatstadt mehr schätzen.
    Zu den Klängen eines langsamen, düsteren Songs der Band Staind, den Blue Gene nicht besonders mochte, steuerte er seinen roten 1988er Chevy-S-10-Pick-up zu einer tristen Wohnwagensiedlung im Süden der Stadt, unweit des Friedhofs; vorbei an einer langen Reihe identischer grauer Briefkästen, vorbei an den WARNUNG-VOR-DEM-HUNDE !-Schildern, an herumliegendem Plastikspielzeug, an heruntergekommenen 1980er Limousinen und verdreckten 1990er Pick-ups mit UNTERSTÜTZT-UNSERE-TRUPPEN -Aufklebern am Heck und an den Seiten. Die Hitze hatte die Siedlung in eine Geisterstadt verwandelt, mit verrammelten Wohnwagen und heruntergelassenen Jalousien. Blue Gene hielt am Straßenrand neben seinem Trailer, der sich kaum von den anderen Wohnwagen unterschied: weiß mit Rostflecken, seitlich ragte (von einem Holzbrett gestützt) die Klimaanlage heraus, vorn hing eine amerikanische Flagge. Auf dem kleinen Parkplatz davor standen ein selten gebrauchter Allradwagen und Blue Genes anderer Pkw, ein defekter 1984er Trans Am, dessen Hinterräder mit Zementbrocken gesichert waren.
    Blue Gene stieg aus seinem Pick-up und humpelte zur Vordertür, den Blick die Straße hoch auf eine ins Nichts führende Betontreppe gerichtet. Der Trailer, zu dem diese fünf Stufen einmal geführt hatten, war schon lange verschwunden, vor fünfundzwanzig Jahren von einem Tornado verschlungen und wieder ausgekotzt worden, wie ein Nachbar [57] erzählte. Blue Gene fand die sinnlose Treppe lustig und deprimierend zugleich.
    Als John Hurstbourne Mapother aus seinem Eckbüro trat, hatte er das Gefühl, etwas vergessen zu haben, doch so erging es ihm fast immer. Er kontrollierte seine Hosentaschen, doch Portemonnaie, Handy und Autoschlüssel waren da.
    Wie jeden Tag hatte er bis halb sechs ausgeharrt, da dann das Gros der Belegschaft bereits nach Hause gegangen war und er unbehelligt zu seinem Wagen kam.
    Doch heute fand er sich plötzlich mit einem seiner Angestellten im Aufzug wieder.
    »Wie geht’s denn so, Mr. Mapother?«
    John brauchte ein Weilchen, um zu entscheiden, ob der Mann gefragt hatte, wie es ihm ging oder wohin er ging. Wie so oft bei solchen Grußfloskeln hatte der Mann die Wörter nicht deutlich ausgesprochen.
    »Mir geht es gut. Es geht nach Hause.«
    »Ich weiß, was Sie meinen!«, sagte der Mann lachend. Als die Fahrstuhltür aufging, ließ John dem Angestellten den Vortritt.
    »Danke, Mr. Mapother.«
    »Gern geschehen. Einen schönen Abend noch.«
    John stieg in seinen schwarzen Cadillac Escalade mit dem christlichen Fischzeichen am Heck, und sobald er den Motor anließ, erklang »Wachet auf, ruft uns die Stimme« von Johann Sebastian Bach. Eigentlich mochte John gar keine klassische Musik, sondern zog den Pop und Rock der achtziger Jahre vor, den er als Jugendlicher gehört hatte, doch Bachs Kantate tat ihm gut. In den letzten Jahren,

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