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Goebel, Joey

Goebel, Joey

Titel: Goebel, Joey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heartland
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Highway 81 absah, blieb Bashford von Veränderungen weitgehend verschont.
    Und so näherte sich Blue Gene auf der River Town Road seinem früheren Zuhause, sein Vokuhila flatterte im Wind, während er im Vorbeifahren so viele Eindrücke wie möglich aufnahm: die Brathähnchen und Bratfisch anpreisenden Reklametafeln, den überfüllten Parkplatz des Golden Corral, die Gruppe schwarzer Jungs in Schlabberklamotten neben der Autowaschanlage, den Goodwill-Laden, in dem er viele [61] seiner T -Shirts gefunden hatte, die langhaarigen Latinos vor dem Pfandhaus und die langsam in das alte Autokino kriechenden Wagen, deren Insassen den neuesten Will-Ferrell-Film sehen wollten. Allerdings bekam er nicht alles so genau mit, wie er wollte. Er musste den Blick fast so oft in den Rückspiegel richten wie auf die Straße, weil die Polizei regelmäßig in der River Town Road Streife fuhr und er ohne Führerschein unterwegs war.
    John hasste Autofahren. Weil so viele dumme Leute Auto fahren durften, hielt er es für äußerst gefährlich. Es erstaunte ihn immer wieder, dass es trotz all der Schwachköpfe, denen man Führerscheine ausstellte, nicht noch mehr Autounfälle gab. Dass die Straßen nicht zu reinen Mördergruben wurden, lag nach Johns Ansicht einzig daran, dass die Dümmsten der Dummen sich kein Auto leisten konnten – und dass verantwortungsvolle Menschen wie er doppelt vorsichtig fuhren, um den Leichtsinn der anderen zu kompensieren. Natürlich war er nicht immer so vorsichtig gefahren, doch das war früher gewesen, als er seinen Körper noch nicht für ein schützenswertes Gut gehalten hatte. Heutzutage hielt er ausnahmslos jedes Tempolimit ein, blinkte beim Abbiegen und kontrollierte den toten Winkel. Geradezu zwanghaft schaute er in Rück- und Außenspiegel und fuhr so vorsichtig wie die meisten Autofahrer sonst nur an Halloween, wenn die Straßen voller verkleideter, um Süßigkeiten bettelnder Kinder waren.
    Da John so konzentriert fuhr, beachtete er die Szenerie an der River Town Road kaum, abgesehen von kurzen Blicken auf die abgerissenen Gestalten vor dem Family Dollar, die [62] blinkenden Leuchtreklamen des Wein- und Spirituosenladens mit Autoschalter und auf Werbetafeln, beispielsweise die mit der Aufschrift KEED SPILLS .
    Als »Wachet auf, ruft uns die Stimme« zu Ende war und wieder von vorn anfing, musste John daran denken, dass Blue Gene und Arthur sich an diesem Abend zum ersten Mal wiedersehen würden, seit Arthur ein Baby gewesen war. Immer wieder warf er einen Blick auf das gerahmte Foto von sich und dem kleinen Blue Gene, das inzwischen auf dem Beifahrersitz lag, bis er von einem Trauerzug abgelenkt wurde, der ihm auf der anderen Straßenseite entgegenkam. Er fuhr langsamer, hielt an und wartete, um die Trauernden vorbeizulassen. Ein Wagen auf der linken Fahrspur folgte seinem Beispiel und hielt neben John. Trotz aller Frustrationen, die diese Stadt für John bereithielt, war er stolz, in einem Ort zu leben, in dem man dem Tod seine Reverenz erwies. Dann hörte er ein Hupen, ein seltenes Geräusch in Bashford. Als er in den Rückspiegel schaute, war er nicht überrascht, in einem Pick-up-Truck einen Mann mit Ziegenbart zu sehen, der ihm wütend bedeutete, er solle weiterfahren. John wurde puterrot. Er schüttelte den Kopf und machte eine abschätzige Handbewegung in Richtung des Mannes. Sobald der Trauerzug vorbei war, fuhr John los. Eine Minute später fuhr der Mann in dem Pick-up laut fluchend neben ihm. John trat das Gaspedal voll durch und hängte den alten Truck ab. Im Rückspiegel sah er, dass der Mann auf den Parkplatz von Lee’s Famous Recipe Fried Chicken einbog. Als John wieder auf die Straße schaute, sah er vor sich eine gelbe Ampel. Er trat voll auf die Bremse, die Folge war ein peinliches Quietschen.
    [63] Plötzlich hatte er das Gefühl, beobachtet zu werden. In dem BMW neben ihm saß ein mit seinem Vater befreundeter Arzt und musterte ihn irritiert. Daraus schloss John, dass der Mann den ganzen Zwischenfall mit angesehen hatte. Er war unschlüssig, ob er winken sollte oder nicht. Erst entschied er sich dagegen, doch dann kamen ihm Zweifel, und je länger er sich das Winken verkniff, desto unsicherer fühlte er sich. Er verfluchte sein Pech, dass ausgerechnet ein Freund seines Vaters miterleben musste, was für ein Narr er sein konnte. Und er verwünschte diese Kleinstadt, in der er nirgendwohin fahren konnte, ohne irgendwelche Bekannten zu treffen.
    Seine Stirn war schweißbedeckt. Er

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