Goebel, Joey
dass es dir gerade dreckig geht, Schatz«, ergänzte Bernice. »Aber vergiss nicht: Es ist nie so schlimm, dass es nicht noch schlimmer werden kann.« Blue Gene wandte sich ab.
»Vielleicht sollte es so sein«, sagte Elizabeth. »Bete dafür, dass es doch noch klappt und du irgendwann das richtige Mädel findest. Und wenn das nichts wird, solltest du dir wohl mal die Haare schneiden lassen.«
»Leute, ich mein’s verdammt ernst. Raus hier.«
»Uuh, er meint’s ernst. Wir verschwinden besser wieder.«
»Ich ruf dich später an«, sagte Elizabeth, ehe sie und Bernice die Treppe hinuntergingen. Blue Gene legte sich wieder aufs Bett und holte erneut sein Walkie-Talkie heraus. Er ließ einen der Jugendlichen, die er als Laufburschen angestellt hatte, sofort nach oben kommen.
»Bist du schon achtzehn?«, grummelte Blue Gene.
»Neunzehn«, antwortete der Junge mit dem Bürstenhaarschnitt und dem übergroßen Basketballtrikot.
Blue Gene griff in seine Shorts, holte sein Portemonnaie aus grauem Jeansstoff und mit Klettverschluss heraus und gab dem jungen Mann ein paar Scheine.
»Hier. Geh zu Thornton’s auf der anderen Straßenseite. Hol mir zwei Stangen Parliament.«
»Wolltest du nicht aufhören zu rauchen?«
»Ich bezahl dich nicht dafür, Fragen zu stellen.«
Den restlichen Abend verbrachte Blue Gene, mit nichts als einer schwarzen Boxershorts und einer Basecap bekleidet, kettenrauchend im Bett. Grob wies er jeden ab, der mit ihm reden wollte, egal, ob es ein alter Veteran am Walkie-Talkie war oder ein in Schwierigkeiten steckender [558] Jugendlicher an der Tür. Bernice versuchte ihn nach unten zu locken, damit er ein paar Kids empfing, die für eine örtliche karitative Einrichtung Geld sammelten, doch er antwortete mit seiner schleppenden, tiefen, monotonen Stimme: »Für die habe ich schon gespendet. Hat offenbar nichts geholfen.«
Irgendwann stellte er sein Walkie-Talkie ab und schleuderte es quer durchs Zimmer. Er betrachtete den Tabakqualm über sich und stellte sich vor, wie er mit dem Handballen Jackies Nase eindrückte, was sofort Schuldgefühle bei ihm auslöste. Stattdessen nahm er Jackies Mix- CD aus seinem CD -Spieler, brach sie entzwei, so dass Plastiksplitter durchs ganze Zimmer flogen. Er schnitt sich in die Hand und schmierte das Blut an seine Unterhose. Dann legte er sich wieder hin und weigerte sich standhaft zu weinen.
Alle Frauen waren gleich, befand er, nachdem er eine Weile geblutet hatte. Jackie, Cheyenne, die Cheerleaderinnen, mit denen er als Basketballer zusammen gewesen war – alles das Gleiche. Angeblich war Jackie einzigartig, ein echtes Individuum, doch sie war genau wie alle anderen. Ganz gleich, was für Klamotten sie sich anzogen, alle waren oberflächlich und suchten sich unweigerlich den bestaussehenden, arrogantesten Jungen aus, den sie in die Finger kriegen konnten. So einfach war das.
Vielleicht sollte er sich von dem allem hier verabschieden. Vielleicht würde er schließlich doch sagen: »Her mit Schlips und Anzug.« Er war ohnehin besser als das hier und besser als sie. Er konnte Jackies Familie kaufen. Wahrscheinlich hatten ihre Vorfahren für seine Ahnen gearbeitet. Das Haus seiner Eltern konnte ihres komplett schlucken.
Wie konnte sie es nur wagen! Wie konnte sie ihn [559] zurückweisen, nachdem sie ihn den ganzen Sommer hingehalten und ihn über ihre Gefühle im Unklaren gelassen hatte? So würde nie wieder eine mit ihm umspringen. Ein paar oberflächliche Veränderungen, und er konnte jede beliebige banale Schlampe haben. Dazu musste er sich nur etwas herausputzen und den Vokuhila abschneiden. Und verdammt sollte sie sein, weil sie ihn gefragt hatte, ob er wisse, was ein Vokuhila sei, als hätte er irgendeine ansteckende Krankheit. Menschen wie Jackie waren doch angeblich so was von vorurteilslos und unabhängig. Das waren die gleichen Klugscheißer, die Toleranz auf ihre Fahnen schrieben, aber Christen wie seine Mutter schlechtmachten, ohne sich etwas dabei zu denken. Seltsam, wie sie gleich ausrasteten, wenn jemand etwas Negatives über Juden, Schwarze oder Schwule sagte, aber Christen durfte man ungestraft fertigmachen. Jackie war genauso janusköpfig wie alle anderen. Sie konnte diese Stadt haben mit ihrem Kneipengeschwätz, dem Bier und dem Rauch und den Leuten, die »Cool!« schrien. Und wie diese Stadtleute immer »Verzeihung« sagten, dass es so richtig hasserfüllt klang, da passte sie prima hin.
Vielleicht würde er morgen aufwachen, den
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