Goebel, Joey
Bruder deines Dads. Das verstehst du doch, oder?«
»Klar.«
»Tja, er und ich, wir haben hier zusammen gewohnt, außer als er auf dem College war. Siehst du den Baum dahinten?«
»Hm-m.«
»Wir hatten einen kleinen Hund, der deinem Daddy gehörte und den er Troubles genannt hat. Unser Dad brachte ihm bei, nie um Futter zu betteln. Egal, eines Tages hat dein Dad Troubles’ Leine um den untersten Zweig dieses Baums da drüben gebunden, und, kurz gesagt, dein Daddy spielte mit mir, ohne darauf zu achten, was der Hund gerade machte, und die Leine wickelte sich irgendwie um einen Ast, und der Hund hat sich erhängt. Wir fanden ihn, wie er da baumelte, mit raushängender Zunge.«
Arthur sah traurig aus.
[67] »O Mann, entschuldige. Keine Ahnung, warum ich dir das erzählt hab… Na ja, ich hab’s dir erzählt, weil ich dir beweisen wollte, dass ich hier gewohnt habe, weil du so getan hast, als ob ich mir das nur ausgedacht hätte. Egal, ich sag damit nur, bind dein Hündchen nicht an einen Baum.«
»Dad will nicht, dass ich einen Hund kriege.«
»Glaub ich gern.«
»Aber was ist denn nun mit dir?«
»Wie meinst du das?«
»Du lachst nie.«
»Weiß auch nicht, Mann. Ich fühl mich einfach nicht wohl, ich bin müde, und nichts gefällt mir. Das ist die beste Antwort, die ich dir geben kann. Nichts gefällt mir. Wenigstens zurzeit.«
»Hm, verstehe.«
»Was gefällt dir denn?«
»Äh, also, erst mal, manchmal gibt es Spielsachen.«
»Ich verkaufe Spielsachen. Ich bring dir ’n paar mit, wenn wir uns das nächste Mal sehen. Aber nicht alle, weil ich damit zurzeit mein Geld verdiene.«
»Okay.«
Blue Gene schnippte die Zigarettenkippe auf den Rasen. »Tja, Arthur, ich geh dann wohl besser mal rein. Nennst du dich eigentlich Arthur oder Art?«
»Arthur.«
»Ich nenne mich Blue Gene. Wenn du willst, kannst du Onkel Blue Gene zu mir sagen.«
»Mein Kindermädchen sagt manchmal Art zu mir, aber ich mag’s lieber, wenn man Arthur zu mir sagt.«
»Ach, John hat also ein Kindermädchen für dich [68] eingestellt. Und wer hat dich großgezogen? Dein Kindermädchen oder deine Eltern?«
»Meine Eltern. Mein Kindermädchen heißt Faye.«
»Meins hieß Bernice. Sie hat mich hauptsächlich großgezogen. Ich hab sie sehr gemocht. Magst du dein Kindermädchen?«
»Ja. Sie ist lieb. Sie ist sehr lieb.«
Blue Gene wusste noch, dass für ein kleines Kind die Menschen entweder lieb oder gemein waren, es gab kein Mittelding. Er sah Arthur an, der ihn ansah und seine Tätowierungen und sein Gesicht, das nicht lächelte.
»Ich hab wohl noch ein paar Minuten. Möchtest du mir zeigen, wie man Schülerlotse wird? Du hast das anscheinend echt gut im Griff.«
Nachdem Blue Gene zehn Minuten lang mit Arthur Schülerlotse gespielt hatte, klingelte er an der Tür. Eine rundliche kleine Mexikanerin öffnete, die letzte in einer langen Reihe ständig wechselnder Haushälterinnen. Anscheinend behielten seine Eltern ihr Personal nie lange. Bernice Munly hatten sie am weitaus längsten behalten, aber das war schon viele Jahre her.
»Hallo. Mr. Mapother?«
»Sie können ruhig Blue Gene zu mir sagen.« Blue Gene betrat das einladend weiße, riesige Foyer, und Arthur lief an ihm vorbei durch den Flur. »Wie heißen Sie?«
»Roberta.«
Elizabeth trat aus einem breiten Torbogen unter der geschwungenen Flügeltreppe.
»Hallo, Gene!« Ihre Begrüßung hallte durch den Raum.
[69] »Hey.«
»Ich freue mich, dass du kommen konntest. Roberta, haben Sie Blue Gene etwas zu trinken angeboten?«
»Nein, Ma’am, ich –«
»Sie hatte noch keine Gelegenheit. Ich bin erst vor zwei Sekunden reingekommen.«
»Ich habe dafür gesorgt, dass wir dein Lieblingsgetränk haben«, sagte Elizabeth. »Pabst Blue Ribbon ist doch dein Lieblingsbier, stimmt’s?«
»Äh, doch.«
»Möchtest du eins?«
»Gern. Danke.«
»Roberta, das Bier steht hinten im Kühlschrank. Und wissen Sie, was Pilsgläser sind?«
»Ja, Ma’am.«
»Dann bringen Sie es bitte in einem Pilsglas.«
Roberta nickte und eilte davon. Pabst Blue Ribbon war eigentlich Blue Genes drittliebstes Bier, nach Miller High Life und Milwaukee’s Best. Dass er seine Mutter nicht korrigierte, geschah nicht aus Höflichkeit, sondern weil er überlegte, warum sie ihm gegenüber so betont gastfreundlich war, vor allem in Sachen alkoholischer Getränke. Als er noch zu Hause wohnte, hätte ihn Elizabeth wegen seiner beiden Fälle von Alkohol am Steuer, die ihr durch nächtliche Anrufe aus dem
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