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Goebel, Joey

Goebel, Joey

Titel: Goebel, Joey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heartland
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[671] denn wenn die Leute lange genug leben, werden sie da eines Tages landen. Und ich habe gemerkt, wenn man sie sich so vorstellt – krank, schwach oder sterbend –, verspürt man keinerlei Hass mehr auf sie.«
    »Das klingt eigentlich ziemlich cool.«
    »Es funktioniert wirklich. Und so stelle ich mir den Himmel vor. Man wird dort alles als Ganzes sehen können, darum kann man Menschen in ihrem traurigsten Augenblick sehen, zum Beispiel, wenn sie auf ihrem Totenbett liegen. Oder man sieht jemanden in seinem peinlichsten Augenblick. Jedenfalls, worauf ich hinauswill, im Himmel verschwindet jede Bitternis. Man kann keine Feinde mehr haben, und man kann alle anderen nur noch lieben, denn wie könnte man nicht Mitgefühl für jemanden empfinden, nachdem man ihn in so einem Moment gesehen hat?«
    »Hör mal, warum zum Teufel konntest du nicht über so was reden, als du im Center diese Andacht geleitet hast?«
    Als Henry ins Krankenhaus zurückkehrte, begnügte er sich mit einer Parklücke ganz hinten, was ihn nicht störte, da er gern zu Fuß ging, obwohl er unwillkürlich darüber lachen musste, dass das dienstälteste Mitglied im Aufsichtsrat des Krankenhauses keinen besseren Parkplatz fand. Wenigstens war die Novemberkälte noch nicht da; es war angenehm draußen, wolkig, aber für die Jahreszeit wieder zu warm, so wie schon fast den ganzen Herbst.
    Aus dem geplanten kurzen Ausflug in sein Wahllokal in der Turnhalle der Lincoln-Grundschule war schließlich ein zweieinhalbstündiger Arbeitstag geworden. Er hatte gewählt und anschließend Mark Howard, den [672] Wahlkampfmanager, angerufen, der ihn dazu überredet hatte, in der Wahlkampfzentrale vorbeizuschauen, damit er sich im letzten Moment noch um ein paar Details kümmerte. Er hatte eine Presseerklärung über den Zustand seines Enkels verfasst, sich kurz mit ein paar Bonzen auf Bezirksebene und Wahlvorständen getroffen und eine Nachricht auf Band gesprochen, die per Telefon an alle Wähler ging, die als unentschieden registriert waren.
    Am Vortag hatte Henry der Presse bekanntgegeben, sollte John die Wahl gewinnen, werde man – aufgrund des tragischen Vorkommnisses – Henry Mapother zu seinem Vertreter ernennen. Als langjähriger Freund des Gouverneurs (und als langjähriger Spender für dessen Wahlkämpfe) war es Henry leicht gefallen, diese Vereinbarung zu treffen. Alle Mapothers stimmten überein, das sei nur vernünftig, bedachte man Henrys Kompetenz in Verwaltungsfragen und seine umfangreichen Regierungskontakte, von dem stillschweigenden Einvernehmen gar nicht zu reden, dass dies von vornherein weitgehend sein Wahlkampf gewesen war.
    Weil Henry nie Fahrstühle benutzte, nahm er die Treppe in den zweiten Stock, wo Eugene allein im Wartezimmer saß und in der Jäger-und-Angler-Zeitschrift Field and Stream las.
    »Sie haben die Operation vor etwa ’ner halben Stunde beendet«, sagte er und ließ die Zeitschrift aufgeschlagen.
    »Und?«, fragte Henry ungeduldig. Dies war der falsche Zeitpunkt für Eugenes langsame Redeweise.
    »Die Operation ist erwartungsgemäß verlaufen, doch die Ärzte sagten, die nächsten vierundzwanzig Stunden seien kritisch.«
    »Bleibt er am Leben?«
    [673] »Er wird leben, doch im Laufe des morgigen Tages wird man sehen, ob er ein Gemüse wird oder nicht. Darf ich das so sagen? Ich meine… mir ist nichts anderes eingefallen, um das zu sagen, was sie gesagt haben. Er könnte als Gemüse enden.«
    »Das hast du gut gesagt, Eugene. Wo sind die anderen?«
    »Mom und Abby sind bei Arthur, und John ist in einem der Patientenzimmer. Sie mussten ihn ruhigstellen.«
    »Warum?«
    »Weil er nach der Operation endlich zu Arthur durfte, und das war zu viel für ihn.«
    »Oh.« Da Henry nichts anderes einfiel, setzte er sich neben Eugene. »Mussten sie John wieder auf die Krankenstation bringen?«
    »Nein. Sie haben ihm einfach ein Bett angeboten. Wie war die Wahlbeteiligung?«
    »Es waren bei weitem weniger Leute da, als man nach all dem Tamtam hätte vermuten können.«
    Die nächste Dreiviertelstunde saßen sie stumm da, wenn man den Handyanruf eines von Henrys Wahlkampfmitarbeitern außer Acht ließ. Dann tauchten mit bleichen Gesichtern Elizabeth und Abby auf. Henry erhob sich sofort. Er sah Eugene streng an, der daraufhin seine Zeitschrift beiseitelegte, aber sitzen blieb, obschon er es eigentlich besser wusste. Als die Frauen schweren Schrittes näher kamen, wünschte Henry, Männer trügen noch Hüte, damit er seinen Hut ziehen

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