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Goebel, Joey

Goebel, Joey

Titel: Goebel, Joey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heartland
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hörten, wie hinter ihnen die Tür aufging. Ein schwächlicher, ausgemergelter alter Mann in einem Anzug trat ein und kniete sich weiter hinten vor eine Bank. »Gehen wir.« Gene hielt ihr die Tür auf, und Seite an Seite gingen sie zurück in den grellweißen Flur. Es gab so viel, was sie Gene gern gesagt hätte, doch als der Mann eintrat, nahm sie das als Zeichen, still zu sein. Wäre der Mann nicht eingetreten, hätte sie gesagt, wenn jemand um Verzeihung bitten müsse, dann sie. Hätte sie die Prophezeiung für sich behalten, wäre vielleicht keine der Familientragödien geschehen.
    Doch ob er nun echt war oder nicht, der Kern des Traums hatte sich für Elizabeth immer richtig angefühlt. Er war die starke, rechtschaffene Achse, um die sich die Welt der Mapothers in den vergangenen dreißig Jahren gedreht hatte. Während die Tage vergingen, hatten die Mapothers sich so langsam um diese Achse gedreht, dass sie sich sicher gefühlt hatten, als könne unmöglich jemand von dieser Weltkugel abgeworfen werden. Doch wenn Elizabeth jetzt auf schnellen Vorlauf schaltete, merkte sie, dass in Wirklichkeit ihre Welt die ganze Zeit hin und her geschlingert war – trotz der guten Absichten, aus denen diese Achse bestand. So lange hatte sie nach dem absolut Guten gestrebt, nur um jetzt vor dem schlimmsten Übel zu stehen. Nein, man konnte keinem von ihnen einen Vorwurf machen, nicht einmal ihr selbst, doch sie musste zugeben, dass sie keine Heilige war und wohl nie eine werden würde.
    [669] »Ich weiß, dass du Bernice zugetan bist«, sagte sie, als sie durch den Flur gingen, vorbei an einem Hausmeister, der den Boden wischte und Gene zu kennen schien, »aber bin ich eine schreckliche Mutter gewesen?«
    »In letzter Zeit hast du dich sehr gebessert. Moment mal – ich bin Bernice nicht zugetan.«
    »Das kannst du ruhig sein.«
    »Bin ich aber nicht. Warum fragst du so was?«
    »Einfach so.«
    »Wenn du das fragst, weil du glaubst, du wärst mit dafür verantwortlich, dass John und ich so wurden, wie wir heute sind, würde ich mir deswegen keine Sorgen machen. Ich glaube, bei einem Dad wie unserem wären wir so oder so verkorkst gewesen.«
    »Oh.« Elizabeth musste lachen. »Sag das nicht.«
    »Du weißt, dass es stimmt.«
    »Du solltest aber wissen, dass Henry von seinem Vater nicht gut behandelt wurde. Er wird nie von sich aus darüber reden, aber sein Dad war wirklich ziemlich brutal.«
    »Ich weiß. Die Gelegenheiten, bei denen ich ihn über seinen Dad habe reden hören, ich meine, bei denen er wirklich über sich und seinen Dad geredet hat, kann ich an einem Finger abzählen.«
    Elizabeth lachte. Blue Gene drückte auf die Taste, und sie war froh, als sie sah, dass der Fahrstuhl leer war.
    »Gene, erinnerst du dich noch an die Engel in meinem Traum?«
    »Die keine Gesichter hatten?«
    »Ja. Ich sehe sie immer noch vor mir, wie sie über den Rasen an der Main Street laufen, und manchmal denke ich: [670] ›Was ist, wenn John sich irrte?‹ Wenn das gar keine Engel wären? Es könnten Ungeheuer oder Außerirdische gewesen sein. Wer weiß schon, was sie wirklich waren?«
    »Wieso fragst du all diese ernsten Dinge?«
    »Na ja, John oder Henry kann ich nicht fragen. Da dachte ich, ich frage dich, weil du eben in der Kapelle selbst so ernst warst. Ich versuche nur, das alles zu verstehen.«
    »Frag mich ruhig, was du willst, aber was weiß ich schon? Ich weiß bloß, dass wir das alles durchstehen werden, so wie wir immer alles durchgestanden haben.«
    Seine liebevolle, schlichte Art brachte sie fast wieder zum Weinen, doch sie riss sich zusammen, als die Fahrstuhltüren aufglitten. Sie betraten den Flur, der sie zurück ins Wartezimmer brachte. »Du hast recht«, sagte sie. »Wir werden das durchstehen, und ich glaube immer noch, dass es für alles, was geschieht, einen Grund gibt, und was Arthur zugestoßen ist, könnte immerhin bewirken, dass du und John wieder zusammenfindet.«
    »Ich bezweifle es.«
    »Gene.«
    »Es ist alles so verkorkst. Und zwar von meiner Geburt an. Wie könnte das je anders werden?«
    »Weißt du, wenn ich im Laufe der Jahre eins gelernt habe: Wenn ich merke, dass ich wirklich wütend auf jemanden werde oder wenn ich sogar Hass auf ihn empfinde –«
    »Ich hasse ihn nicht. Ich komme über das alles nur nicht so leicht hinweg.«
    »Hör mir zu. Wenn du zu jemandem nett sein willst, mit dem du Probleme hast, solltest du ihn dir in einem Krankenhaushemd vorstellen, in einem Krankenhausbett liegend,

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