Goebel, Joey
zu ihren Plätzen vorkämpfen. Diese Leute würden ihn in das Amt hieven, von dem seine Zukunft abhing: wuchtige Männer, die Arme linkisch seitlich am Körper, und herb aussehende Frauen mit sonnenverbrannter Haut, eine diffuse Masse von Erdtönen; manche, wie zum Beispiel Blue Gene, hatten sich sogar in Camouflage getarnt. Es war alles andere als ein Country Club. Solchen Leuten schaltete man die Telefone ab, sie sahen zehn Jahre älter aus, als sie waren, auf ihren plumpen Gesichtszügen zeichnete sich Resignation ab, als hätten sie sich mit irgendeinem schweren Los abgefunden – die Mittellosen, die Nichtvermittelbaren, die Unzuverlässigen. Aber wählen durften sie.
[108] John wusste. Um einem Wähler dessen Stimme abzuluchsen, würde er tatsächlich mit einem reden, seine feuchte Handfläche gegen die eines anderen pressen müssen. Er würde jedem von ihnen in die Augen sehen und um seine Stimme bitten müssen, so schwer es ihm fiel. Er hatte ausgesprochen schöne Augen, wusste aber nie, wo er hinsehen sollte.
Blue Gene entdeckte eine Menge Bekannte, die er seit Ewigkeiten nicht gesehen hatte. Hoffentlich glaubten sie nicht, er habe sie abserviert, um mit dem gelackten Typen abzuhängen, der neben ihm saß.
Er beugte sich an John vorbei, um Arthur zu erzählen, was ihn heute Abend erwartete. Blue Gene wollte eigentlich in der Mitte sitzen, doch John hatte sich zwischen sie gequetscht, wahrscheinlich, weil er verhindern wollte, dass er seinem Sohn zu nahe kam.
Johns Handy vibrierte, und er nahm den Anruf entgegen, den dritten, seit er Blue Gene am frühen Abend abgeholt hatte. Während John sprach, warf Blue Gene ihm böse Blicke zu. Genauso war er schon früher gewesen. Es hatte Spaß gemacht, mit ihm zu spielen, doch selten beendete er eine Runde Schiffe versenken oder ein Spiel Uno, weil immer etwas Wichtigeres dazwischenkam.
»Warum siehst du mich so an?«, fragte John, nachdem er das Telefonat beendet hatte.
»Vermutlich telefonierst du jetzt den ganzen Abend.«
»Nein.«
»Das macht mich echt fertig, wenn Leute mitten in einem Gespräch ihre Handyanrufe entgegennehmen.«
[109] »Wir beide haben aber gerade nicht miteinander gesprochen.«
»Auf der Fahrt hierher hast du einen Anruf entgegengenommen. Eigentlich wollte ich nichts sagen, aber allmählich geht’s mir auf den Keks.«
»Bedaure. Es ging dabei um den Wahlkampf.«
»Wahlkampf, Wahlkampf. Hast du kein anderes Thema mehr?«
»Das lässt sich leider nicht umgehen, wenn man ins Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten gewählt werden will.«
»Es muss dir nicht gefallen, dass du hier bist. Ich weiß, dass du lieber woanders wärst. Aber lass wenigstens den Rest des Abends die Finger von dem verdammten Handy. Das verlangt die Höflichkeit.«
» Natürlich bin ich gern hier. Aber ich lass mir von dir nicht sagen, was ich tun oder lassen soll!«
»Mann, eines Tages wirst du auf dein Leben zurückschauen und nichts weiter sehen als dich, wie du mit dem Handy telefonierst. Du magst es doch bestimmt auch nicht, wenn er das macht, oder, Arthur?«
»Ja.«
»Lass Arthur aus dem Spiel!«
»Ich sage ja nur, du solltest auch mal an andere denken.«
»Hast du denn kein Handy?«
»Nein.«
»Du solltest dir eins zulegen. Was machst du in einem Notfall?«
»Red nicht mit mir wie mit einem Kleinkind.«
»Warum hast du kein Handy?«
[110] »Es stört. Hast du nicht eben deinen Sohn gehört? Er will nicht, dass du die ganze Zeit am Telefon hängst.«
»Halt du mir keine Vorträge darüber, wie ich mein Kind erziehen soll. Mein ganzes Leben dreht sich um meine Ehe und mein Kind.«
»Nicht, solange diese ganze Wahlkampfgeschichte läuft.«
»Diese Wahlkampfgeschichte mache ich für meine Familie. Damit sie und alle anderen guten Familien in Amerika ein besseres Leben führen können. Doch zuerst muss ich gewählt werden, und dazu sind Telefonate erforderlich.«
»Stell doch einfach dein Handy ab, Daddy.«
»Nein. ’tschuldige, aber so funktioniert das nicht. Ein Vater lässt sich von seinem Sohn nichts befehlen.«
»Er hat nur Angst, dass er einen Anruf verpasst, Arthur. Ganz ehrlich, John, du bist noch genau wie früher. Denkst immer nur an dich. Aber das kann ich dir wohl nicht zum Vorwurf machen, weil du damit durchkommst.«
»Was soll das heißen?«
»Mom und Dad halten dich für das Größte seit der Erfindung des Toastbrots.«
»Sei nicht so weinerlich. Zugegeben, vielleicht sind Mom und Dad zu mir nicht so streng wie zu dir.
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