Goebel, Joey
»Oh-oh say can you see…«
Die rechte Hand auf dem Brustkorb über dem Herzen, schauten John und Blue Gene respektvoll zu der riesigen amerikanischen Fahne hinüber, die neben den alten Highschool-Basketballmeisterschafts-Wimpeln von den Dachsparren hing. Als John sah, dass sein Sohn, statt mitzusingen, über seine Rückenlehne zu klettern versuchte, hob er Arthurs Hand auf Herzhöhe. Als das Lied zu Ende war, klatschten sie Beifall, und Blue Gene stieß ein tiefempfundenes »Wu-hu!« aus, bevor er sich setzte.
»Hat sich doch gut angehört, was?«, fragte Blue Gene.
»Das kann man wohl sagen«, bestätigte John lächelnd.
[114] »Wu-hu!«, brüllte Blue Gene wieder. Er liebte dieses Zusammengehörigkeitsgefühl, das sich beim Singen der Nationalhymne einstellte. Am liebsten wäre er in den Humvee gesprungen und mit der Sängerin verschwunden, irgendwohin. »Dieser Hummer ist ein geiles Gerät«, sagte er, als sich die Sängerin wieder in den Riesenjeep zurückgezogen hatte.
»Wem sagst du das«, erwiderte John feixend. »Ich hatte mal einen.«
»Nee! Dich kann ich mir in so ’nem Wagen gar nicht vorstellen.«
»Ja, sie sind ziemlich auffällig. Ich habe ihn meistens in der Garage gelassen. Es sind aber die sichersten Autos, die es gibt.«
»Warum hast ihn nicht mehr?«
»Das ist eine lange Geschichte.«
»Ich will sie hören.«
Der Conférencier trat vor das Publikum, er hatte schwarze Jeans und Cowboystiefel an.
»Die Show beginnt«, sagte John.
»Ist mir egal, was der Trottel zu sagen hat«, erklärte Blue Gene. »Fang an!«
»Also, erinnerst du dich an den Blizzard, den heftigen Schneesturm vor ein paar Jahren?«, fragte John, während der Conférencier alle begrüßte.
»Klar.«
»Während des Blizzards rief mich eines Abends die Polizei an. Ein Cop wusste zufällig, dass ich einen Hummer hatte, und er fragte mich, ob sie ihn nicht benutzen dürften, weil sie mit ihren eigenen Wagen nicht durchkämen. Er sagte, außer mir hätte niemand in der Stadt einen. Ich dachte [115] drüber nach und lehnte ab. Na ja, ich rufe auch nicht wildfremde Menschen an und bitte sie, mir ihr Auto zu leihen. Doch später hatte ich irgendwie ein schlechtes Gefühl und dachte: ›Wenn das jedes Mal bei einem Schneesturm passiert, verzichte ich lieber auf das Ding.‹ Dann habe ich ihn gegen einen Saab eingetauscht. Und natürlich hatten wir seitdem keinen Schneesturm mehr.«
»Genau das hab ich vorhin gemeint, Mann. Du könntest anderen helfen, aber stattdessen –«
Ein gewaltiges Dröhnen kam von der anderen Seite der Einfahrt zur Halle. Vier Monstertrucks fuhren in die Arena ein, einer hinter dem anderen. Blue Gene war überwältigt: »Wu-hu!«
»Arthur, Mann, guck dir mal diese Reifen an. Die sind einen Meter siebzig hoch!«
Wie viele Männer in der Arena träumte auch Blue Gene davon, einen Monstertruck zu besitzen. Er stellte sich vor, wie er andere Autos überrollte, die im Leerlauf darauf warteten, dass die Ampel grün wurde.
John bestand darauf, dass Arthur sich Stöpsel in die Ohren steckte. Als die Monstertrucks durch die Arena kreisten, entdeckte Blue Gene nur einen Chevy unter ihnen, der das Fahrgestell einer 55er Limousine hatte. Blue Gene war enttäuscht, weil der Wagen grellrot und mit gelben Flammen lackiert war. Doch immerhin war es ein Chevy.
»Wir sind für den War Wagon«, schrie Blue Gene. John nickte.
Nach einem »Donut Contest«, bei dem sich die Trucks besonders präzise auf der Stelle drehen mussten, kehrten zwei der Wettbewerber dorthin zurück, wo sie [116] hergekommen waren, so dass der War Wagon gegen Deep Fear antreten musste, einen Ford. Beide Trucks setzten Seite an Seite zurück und ließen die Motoren aufheulen, jeder wild entschlossen, eine Reihe Schrottautos plattzumachen. Sobald die Rennampel auf Grün umsprang, rasten sie los, begleitet von einem ohrenbetäubenden Dröhnen, das Frauen und Kinder erschauern ließ. Arthur schien schockiert und griff nach der Hand seines Vaters, der einen Arm um ihn legte und »Ist schon okay« schrie.
Unterdessen behielt Blue Gene den War Wagon im Auge. Als der mit voller Wucht auf das erste Schrottauto traf, zeigte die Motorhaube in Richtung Hallendecke. Sekundenlang ragte der War Wagon in die Höhe, ehe er unerbittlich auf das Dach des zweiten Autos krachte. Der Truck holperte unbekümmert über die nächsten drei Wagen, dass Glassplitter in die Luft stoben, zerquetschte entschlossen ihre Karosserien, ehe er noch vor Deep Fear wieder
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