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Goebel, Joey

Goebel, Joey

Titel: Goebel, Joey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heartland
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blinzelnd an seiner Zigarette und hörte weiter zu.
    »Denkt mal drüber nach. Wir singen unsere Nationalhymne ausschließlich vor Sportveranstaltungen. Der Kongress singt sie nicht vor einer Sitzung. Niemand singt sie, ehe der Präsident vor seiner Rede zur Lage der Nation den Saal betritt. Nur bei Sportveranstaltungen.« Draußen brüllten sie: »Halt die Klappe«, doch Jackie übertönte sie mit Hilfe des Mikros. »Warum singt ihr die Nationalhymne nicht vor Filmbeginn im Kino, im Theater oder bei Konzerten? Das liegt daran, dass das Produkte des Verstands sind, Produkte des Intellekts, und wir den Intellekt in diesem Land nicht achten. Deshalb ist Paris Hilton die berühmteste Amerikanerin. Und seht euch die Deppen an, die wir zu unseren politischen Führern wählen.« Sie redete weiter, schnell, als hätte sie jahrelang auf die Gelegenheit gewartet, das alles zu sagen, und befürchte nun, nicht alles loszuwerden. »In diesem Land feiern wir nur den Körper, nicht den Geist. Unser nationaler Wahlspruch müsste lauten: ›Alles außer Denken.‹ Das sollte auf unseren Münzen stehen. Wir wurden gedrillt zu glauben, dass alles Kluge oder Intelligente negativ ist. Unsere Künstler werden an den Rand gedrängt, und unsere Sportler werden vergöttert. Bei Sportveranstaltungen stehen wir zur Nationalhymne auf, damit wir Patriotismus mit Wettbewerb und mit kämpfenden Männern assoziieren. Schon in jungen Jahren bringt man uns bei, aufzustehen und auf so etwas [226] stolz zu sein. Man unterzieht uns einer Gehirnwäsche, damit wir aufs Siegen fixiert sind. Es gehört zu einem System subversiver Kniffe, mit der man die Öffentlichkeit dazu bringen will, Kriege zu unterstützen, denn schließlich ist auch der Krieg ein Kampf, ein Wettbewerb.«
    »Halt verdammt noch mal die Fresse, Schlampe!«, brüllte Balsam von draußen. Sein Kommentar wurde von der Menge wohlwollend aufgenommen, doch die Sängerin lachte nur und verdrehte die großen, braunen Augen.
    »Wenn wir irgendwann die Nationalhymne vor Veranstaltungen singen, auf denen der Geist und nicht nur der Körper bejubelt wird, dann singe ich mit euch mit, denn dann sollten wir wirklich stolz auf Amerika sein. Denn dieses Land hat der Welt den Rock ‘n’ Roll, den Jazz, Star Wars, Frank Sinatra, Bob Dylan, David Letterman, Louis Armstrong, Wer die Nachtigall stört und die Filmtrilogie Der Pate gegeben. Unsere Kreativität, unser Talent – darauf sollten wir stolz sein. Nicht auf unsere Fähigkeit, Kriege zu gewinnen.«
    »Vergiss nicht«, schrie ein Mann mit einer hochtoupierten Frisur, »dass Männer Kriege geführt haben, damit du diese Meinung vertreten kannst. Dafür setzen wir uns ein.«
    »Das sagt ihr immer. Als stünde die Existenz unserer Demokratie auf dem Spiel, wenn unser Militär nicht mehr in verarmte Drittweltländer einfällt. In Wirklichkeit führen wir Kriege, weil wir Imperialisten sind. Damit die reichsten Leute noch reicher werden. Ich will nicht, dass jemand wegen Geld stirbt. Weshalb wollt ihr das?«
    »Mir egal, ob sie eine Frau ist«, sagte Balsam zu Blue Gene. »Ich schlag ihr den Kopf ab, geh weiter, und verschwende weiter keinen Gedanken dran.«
    [227] »Hau doch ab, wenn du dein Land nicht liebst!«, brüllte jemand.
    »Na klar liebe ich Amerika! Aber es ist nicht perfekt. Ihr tut alle so, als wäre Amerika unfehlbar. Hier geschehen schreckliche Dinge, genau wie überall sonst. Hier werden Frauen an Raststätten vergewaltigt. Den größten Teil unserer Geschichte gab es bei uns Sklaven. Wir sind so ziemlich das einzige industrialisierte Land ohne eine medizinische Versorgung für alle. Und die Unterschicht ist so –«
    Plötzlich wurde ihre Stimme nicht mehr verstärkt. Sie drehte sich um. Neben dem P.A. stand Turbulence und musterte sie finster. Er trug keine Shorts mehr, sondern eine bequeme Hose der Marke Zubaz und eine Bauchtasche.
    »Du bist gefeuert«, sagte er. »Verschwinde.«
    »Chuck«, sagte sie. »Hast du gehört, was sie zu mir gesagt haben?«
    »Das sind meine Kunden. Sie können verdammt noch mal sagen, was sie wollen. Ich hab dir gesagt, du sollst aufhören zu agitieren, aber du kannst es nicht lassen, und jetzt packt ihr gefälligst euren Kram zusammen. Ich will euch hier nie wieder hören.«
    Turbulence ging auf die andere Seite der Halle und befahl dem Ansager, über die Lautsprecheranlage einen Radiosender zu spielen. Es lief gerade »SexyBack«, ein Song von Justin Timberlake, und die Ordnung war

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