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Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Titel: Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas R. Hofstadter
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einige Schlußregeln. Bei allen wird vorausgesetzt, daß die Symbole „ x “ und „ y “ auf wohlgeformte Ketten beschränkt sind.
    T RENNUNGSREGEL : Wenn < x ∧ y > ein S ATZ ist, dann sind sowohl x als auch y S ÄTZE .
    Übrigens sollte der Leser jetzt eine ziemlich treffende Vorstellung davon haben, welchen Begriff das Symbol „∧“ vertritt. (Hinweis: Es ist das lästige Wort aus dem letzten Dialog.) Nach der folgenden Regel sollte man herausfinden können, welchen Begriff die Tilde („~“) repräsentiert.
    R EGEL DER D OPPELTILDE : Die Kette „~~“ kann aus jedem S ATZ getilgt werden. Sie kann auch in jeden S ATZ eingefügt werden, vorausgesetzt, daß die so entstandene Kette selbst wohlgeformt ist.
Die Fantasieregel
    Nun ist es eine Eigenheit dieses Systems, daß es keine Axiome besitzt — nur Regeln. Erinnert man sich der vorhergehenden formalen Systeme, die wir betrachtet haben, wird man sich wundern, wie es dann überhaupt S ÄTZE geben kann. Wie fängt das alles an? Die Antwort lautet, daß es eine Regel gibt, die S ÄTZE aus der leeren Luft fabriziert — sie braucht keinen „alten S ATZ “ als Eingabe. (Die restlichen Regeln brauchen eine Eingabe.) Diese spezielle Regel heißt Fantasieregel. Daß ich sie so nenne, hat einen einfachen Grund.
    Um die Fantasieregel zu verwenden, schreibt man zunächst eine beliebige wohlgeformte Kette x nieder, dann „fantasiert“ man, indem man sich fragt: „Was, wenn diese Kette x ein Axiom oder ein S ATZ wäre?“ Und dann überläßt man die Antwort dem System selbst; d. h. man macht weiter und nimmt eine Ableitung vor mit x auf der ersten Zeile; nehmen wir an, y sei die letzte Zeile. (Natürlich muß die Ableitung strikt den Regeln des Systems gehorchen.) Alles von x bis einschließlich y ist die Fantasie;x ist die Voraussetzung, y das Ergebnis der Fantasie. Der nächste Schritt ist der, aus der Fantasie herauszuspringen, und wir haben von ihr gelernt:
    Wenn x ein S ATZ wäre, dann wäre auch y ein S ATZ .
    Immerhin könnte man sich fragen, wo ist der wirkliche S ATZ ? Der wirkliche S ATZ ist die Kette
    < x ⊃ y >.
    Man beachte die Ähnlichkeit dieser Kette mit dem oben wiedergegebenen Satz.
    Um den Eintritt in die Fantasie und den Austritt aus ihr anzuzeigen, verwendet man die eckigen Klammern „[“ und „]“. Wann immer man also eine nach rechts offene Klammer sieht, weiß man, daß man in eine Fantasie hinein „pusht“ und die nächste Zeile die Voraussetzung der Fantasie enthält. Wann immer man eine nach links offene Klammer sieht, weiß man, daß man hinaus „poppt“ und die vorhergehende Zeile das Ergebnis war. Es ist nützlich (aber nicht notwendig), die Zeilen einer Abteilung, die in der Fantasie stattfinden, einzurücken.
    Hier eine Illustration der Fantasieregel, in der die Kette P als Voraussetzung genommen wird. (Es gibt sich so, daß P kein S ATZ ist, aber das ist ohne Belang; die Frage ist nur: „Was, wenn es einer wäre?“) Wir führen die folgende Fantasie aus:
[
in Fantasie pushen
P
Voraussetzung
~~ P
Ergebnis (Regel der Doppeltilde)
]
aus der Fantasie poppen
    Die Fantasie zeigt:
    Wenn P ein S ATZ wäre, dann auch ~~ P .
    Nun „pressen“ wir diesen deutschen Satz (Metasprache) in die formale Notation (Objektsprache): < P ⊃~~ P > . Dieser unser erster S ATZ der Aussagelogik sollte dem Leser klar machen, wie das Symbol „⊃“ zu interpretieren ist.
    Nachstehend noch eine Ableitung unter Verwendung der Fantasieregel:
[
push
< P ∧ Q >
Voraussetzung
P
Trennungsregel
Q
Trennungsregel
< Q ∧ P >
Verbindungsregel
]
pop
< P ∧ Q >⊃< Q ∧ P >
Fantasieregel
    Wichtig ist es, einzusehen, daß nur die letzte Zeile ein wirklicher S ATZ ist; alles andere ist in der Fantasie.
Rekursion und die Fantasieregel
    Wie man aus der Rekursions-Terminologie „push“ und „pop“ vermuten kann, läßt sich die Fantasieregel rekursiv verwenden; es kann also Fantasien in Fantasien geben, dreifach verschachtelte Fantasie usw. Das bedeutet, daß es alle möglichen „Wirklichkeitsebenen“ gibt, genau wie in verschachtelten Geschichten oder Filmen. Wenn man aus einem Film-im-Film herauspoppt, hat man einen Augenblick lang das Gefühl, die wirkliche Welt erreicht zu haben, obgleich man noch eine Stufe von der obersten Ebene entfernt ist. Wenn man in ähnlicher Weise aus einer-Fantasie-in-einer-Fantasie herauspoppt, ist man in einer „wirklicheren“ Welt als der, in der man sich befand, aber noch immer eine Ebene von der obersten

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