Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
ich das unvernünftige Tun der Leute rings um mich gewohnt. Ich schätze Ihre Gesellschaft, Achilles, auch wenn Ihr Denken der Klarheit ermangelt.
Achilles: Ja ... Nun, ich fürchte, ich bin in meinen Gedanken festgefahren, und werde wohl auf meiner Suche nach Wahrheit irren und immer weiter irren.
Schildkröte: Unser heutiges Gespräch hat vielleicht dazu beigetragen, Ihren Kurs zu berichtigen. Auf Wiedersehen, Achilles.
Achilles: Auf Wiedersehen, Theo S.
KAPITEL VII
Die Aussagenlogik
Wörter und Symbole
D ER VORHERGEHENDE D IALOG erinnert an die Zweistimmige Invention von Lewis Carroll. Auch hier weigert sich Herr Schildkröte, normale, gewöhnliche Wörter auf normale, gewöhnliche Weise zu verwenden, oder er weigert sich zumindest, das zu tun, wenn es ihm keinen Vorteil bringt. Eine Art, über die Carroll-Paradoxie nachzudenken, haben wir im vorigen Kapitel beschrieben. Hier lassen wir nun Symbole das ausführen, was Achilles bei Herrn Schildkröte nicht mit Worten zu bewirken vermochte. Das heißt, wir werden ein formales System errichten, und eines der Symbole in diesem System soll genau das tun, was nach Achilles' Wunsch das Wort „und“, ausgesprochen von Herrn Schildkröte, tun würde; und ein anderes System, dessen Symbole sich so verhalten, wie die Wörter „wenn ... dann ... “ sich verhalten sollten. Es gibt nur noch zwei weitere Wörter, mit denen wir uns beschäftigen wollen: „oder“ und „nicht“. Folgerichtiges Denken, das auf der korrekten Verwendung dieser vier Wörter beruht, nennt man Aussagenlogik.
Alphabet und erste Regel der Aussagenlogik
Ich werde dieses neue formale System, das Aussagenlogik heißt, ein bißchen wie ein Rätsel behandeln, und nicht alles gleichzeitig erklären, sondern bis zu einem gewissen Grad den Leser die Dinge herausfinden lassen. Wir beginnen mit einer Liste von Symbolen:
P
<
>
P
P
Q
R
'
∧
∨
⊃
~
[
]
Die erste Regel dieses Systems, die ich aufdecken will, ist die folgende
V ERBINDUNGSREGEL : Wenn x und y S ÄTZE des Systems sind, dann ist es auch die Kette < x ∧ y >.
Diese Regel nimmt zwei S ÄTZE und verbindet sie zu einem. Das sollte den Leser an unseren Dialog erinnern.
Wohlgeformte Ketten
Es gibt noch verschiedene andere Schlußregeln, und wir werden sie bald alle vorlegen, zunächst aber ist es wichtig, eine Teilmenge aller Ketten zu definieren, nämlich die der wohlgeformten Ketten. Wir werden sie rekursiv definieren. Wir beginnen mit den
A TOMEN : P , Q und R heißen Atome. Neue Atome werden gebildet, indem man rechts von den alten Atomen Striche beifügt — also R ', Q '', P ''', usw. Das ergibt einen beliebig großen Vorrat von Atomen. Alle Atome sind wohlgeformt.
Dann haben wir vier rekursive
B ILDUNGSREGELN : Wenn x und y wohlgeformt sind, dann sind auch die folgenden vier Ketten wohlgeformt:
1)
~ x
2)
< x ∧ y >
3)
< x ∨ y >
4)
< x ⊃ y >
Zum Beispiel sind alle folgenden Ketten wohlgeformt:
P
Atom
~ P
Regel 1
~~ P
Regel 1
Q '
Atom
~ Q '
Regel 1
< P ∧~ Q '>
Regel 2
~< P ∧~ Q '>
Regel 1
<~~ P ⊃ Q '>
Regel 4
<~< P ∧~ Q '>∨<~~< P ⊃ Q '>>
Regel 3
Die letzte Kette sieht recht furchterregend aus, setzt sich aber ganz einfach aus zwei Komponenten zusammen, nämlich den zwei vorhergehenden Zeilen. Und jede von diesen ist ihrerseits aus vorhergehenden Zeilen aufgebaut ... usw. Jede wohlgeformte Kette kann solchermaßen auf ihre elementaren Bestandteile, d. h. die Atome, zurückgeführt werden. Man wendet einfach die Bildungsregeln in umgekehrtem Sinne an, bis es nicht mehr weiter geht. Dieses Vorgehen findet mit Sicherheit ein Ende, da jede Bildungsregel, wenn nach vorwärts angewandt, eine verlängernde Regel ist, so daß die Anwendung in umgekehrtem Sinn immer auf die Atome zusteuert.
Dieses Verfahren der Zerlegung von Ketten dient also zur Prüfung, ob eine beliebige Kette wohlgeformt ist. Es ist ein Von-oben-nach-unten-Entscheidungsverfahren für Wohlgeformtheit. Und jeder kann prüfen, wie weit er dieses Entscheidungsverfahren versteht, indem er kontrolliert, welche der folgenden Ketten wohlgeformt sind:
1)
< P >
2)
<~ P >
3)
< P ∧ Q ∧ R >
4)
< P ∧ Q >
5)
<< P ∧ Q >∧< Q ~∧ P >>
6)
< P ∧~ P >
7)
<< P ∨< Q ⊃ R >>∧<~ P ∨~ R '>>
8)
< P ∧ Q >∧< Q ∧ P >
(Antwort: Diejenigen, deren Nummer eine Fibonaccizahl ist, sind nicht wohlgeformt. Der Rest ist wohlgeformt.)
Weitere Schlußregeln
Wir kommen nun zu den übrigen Regeln, nach denen sich S ÄTZE dieses Systems konstruieren lassen. Es folgen
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