Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
akzeptieren, nämlich:
Dieser Satz enthält fünf Wörter.
Achilles (murmelt vor sich hin): Hmm ... eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs ... Halt! Nur fünf hier. Die Numero macht Krieger froh ... (Laut zur Schildkröte:) Ja, in der Tat, ich muß einräumen, daß auch dieser Satz wahr ist. Der ist völlig in Ordnung.
Schildkröte: Puh! Es freut mich doch, daß meine eher theoretischen Berechnungen durch Ihre strengeren Nachforschungen bestätigt werden. Nachdem wir das nun geklärt haben, müssen wir nur noch diese beiden harmlosen Äußerungen zu einer einzigen, längeren kombinieren — und zwar vermittels ihres angeblich harmlosen Wortes „und“.
Achilles: „Harmlos“ ist in diesem Fall sicher das richtige Wort, Theo S. Vorwärts, also, weiter im Text.
Schildkröte: Bitte tun Sie es doch selber, Achilles.
Achilles: Mit Vergnügen ... Nun, ich finde die folgende notwendige Wahrheit:
Menschen haben fünf Finger
und
dieser Satz enthält fünf Wörter.
Halt, Moment mal , Herr S. Das sieht allmählich nicht ganz koscher aus!
Schildkröte (mit offenem Mund und einem Ausdruck unschuldigen Überraschtseins): Was? Was können Sie nur meinen?
Achilles: Sie wollten mich hereinlegen, Herr S. Aber ich weiß, daß die Menschen nicht fünf Finger haben — sie haben nämlich ZEHN ! Ihr kombinierter Satz ist also völlig schief. Er hätte wie folgt lauten sollen:
Menschen haben zehn Finger
und
dieser Satz enthält zehn Wörter.
Sehen Sie? Jetzt ist er wahr, genau wie ich behauptete. So leicht verkohlt man den alten Achilles nicht! Es ist also ein durchaus sicheres Vorgehen, unter Gebrauch des Verbindungsworts „und“ zwei wahre Sätze in einem zusammenzuziehen.
Schildkröte: Sie verstehen es, klug und gewandt zu argumentieren, aber ich glaube, daß Sie den eigentlichen Trugschluß beim Kombinieren zweier wahrer Sätze vermittels des heiklen Wortes „und“ noch nicht erkannt haben. Vielleicht wird Ihnen ein anderes Beispiel die Augen öffnen.
Achilles: Es kann ja nicht schaden, Ihrem amüsanten Geplauder zuzuhören. Also los, Theo S. Was zaubern Sie denn jetzt aus dem Hut?
Schildkröte: Nix Hut, Achilles. Der gute alte Schildkrötenverstand eines guten, alten, schlichten Schildkrötenveteranen genügt vollauf. Betrachten Sie die folgende einfache Behauptung, die man gelegentlich auch „Kommutativ-Gesetz der Addition“ nennt:
Die Reihenfolge spielt keine Rolle.
Was sagen Sie dazu?
Achilles: Nun, daß 2 + 3 gleich 3 + 2 ist, das stimmt schon. Und in all den anderen Fällen von Addition, auf die ich gestoßen bin, spielt die Reihenfolge keine Rolle. Sagen Sie mir, Theo S., gibt es vielleicht sehr seltene ganze Zahlen p und g Zahlen, denen ich in meinem kurzen und prosaischen Leben nie begegnet bin, bei denen p + g nicht gleich g + p ist? Könnte 666 möglicherweise diese sinistre Eigenschaft haben?
Schildkröte: Soviel ich weiß, Achilles, gibt es derartige Zahlen überhaupt nicht. Es ist bedauerlicherweise wahr, daß ich nicht JEDE ganze Zahl persönlich kenne, denn dazu lebe ich noch nicht lang genug, aber ich habe gute Gewährsleute dafür, daß p + g immer gleich g + p ist, auch bei den seltensten und kostbarsten Zahlen. Mein Onkel versicherte mir, daß dem so sei.
Achilles: Nun gut, ich will das Wort Ihres Onkels gelten lassen, Theo S. Ich nehme Ihren Satz an. Ich hoffe nur, daß da kein Trick dahintersteht.
Schildkröte: Tricks gibt's bei mir nicht, Achilles. Wie oft muß ich Ihnen das noch sagen?
Achilles: Also weiter. Wie lautet der zweite Satz?
Schildkröte: Ich lege Ihnen ein bekanntes Sprichwort vor, dessen Wahrheit niemand wird leugnen können:
Erst wägen, dann wagen.
Akzeptieren Sie diesen Satz als gültig?
Achilles: Nun, ich möchte nichts Vorschnelles behaupten. Schließlich halte ich mich daran, erst alle meine Möglichkeiten IMMER abzuwägen, bevor ich handle. Lassen Sie mich also in meinem Exemplar von „Schmitz' und Fritz' witzig-spritzigem Lexikon der Ewigen Wahrheiten“ nachschauen, das ich gerade für solche Situationen mit mir führe ... (Er zieht ein winziges, abgegriffenes Bändchen aus seinem Helm.)
Schildkröte: Sie meinen Situationen, wo man mit einem ziemlich nassen und fröhlichen poikilothermen und amphibischen Cheloniden über die präponderierende Wellenlänge desjenigen Lichts debattiert, das von einem Teil seiner Anatomie reflektiert wird? Ich war mir nicht im klaren, daß solche Situationen im Leben eines typischen Menschen so häufig
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