Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
auftauchen.
Achilles (durchblättert schnell sein Buch): Um die Wahrheit zu sagen, das geschieht nicht so oft, aber ...
Schildkröte: Oh, das ist vielleicht der Grund, warum das Buch so klein ist.
Achilles: Nein, nein, ganz und gar nicht. Das Format mag klein sein, das Buch ist aber groß, was den Inhalt betrifft. Insbesondere erweist es sich in vielen Situationen als nützlich, die der gegenwärtigen ähneln, aber in abstrakterer Art und Weise, als Sie vorgeschlagen hatten.
Schildkröte: Das klingt TATSÄCHLICH witzig und darüber hinaus wirklich spritzig. Ich würde nicht vor der Behauptung zurückscheuen, daß es eine gute Chance hat, sowohl witzig-spritzig als auch witzig und spritzig zu sein. Besteht das Bändchen aber wirklich, wie sein Name sagt, nur aus entsprechend großgeschriebenen Ewigen Wahrheiten?
Achilles (stolz strahlend): Aber gewiß. Und es enthält ALLE , was will man mehr!
Schildkröte: Bei Zeno! Wo in aller Welt haben Sie dieses unschätzbare Buch gefunden — winzig von Format, aber gigantisch im Inhalt?
Achilles: Entdeckt habe ich es in der Abteilung „Westliche Religionen“ in einem Antiquariat, das ich manchmal besuche. Ist das nicht ein eigenartiger Ort für die Entdeckung eines solchen Juwels?
Schildkröte: Ja, das würde man kaum erwarten. Sie werden mir jedoch eine Frage erlauben: Ich frage mich, wie Sie SICHER sein können, daß es tatsächlich nur aus Wahrheiten besteht, ewigen oder sonstigen. Können Sie sich nicht vorstellen, Achilles, daß irgendwie ein oder zwei häßliche Unwahrheiten sich schurkischerweise in das ansonsten vortreffliche Bändchen eingeschlichen haben?
Achilles (etwas von oben herab): Ganz gewiß nicht! Hier, auf Seite 666 steht Schmitz' und Fritz' Ewige Wahrheit Nr. 1729: „Alle Behauptungen in früheren, gegenwärtigen und zukünftigen Ausgaben von ,Fritz' und Schmitz' spritzig-witzigem Lexikon Ewiger Wahrheiten‘ sind faktisch, genau und zuverlässig.“ Was mehr könnte man sich wünschen?
Schildkröte: Sie haben alle meine Zweifel ausgeräumt, Achilles. Von nun an habe ich volles Vertrauen in Ihr Büchlein. Was sagt es also zu meinem vorgeschlagenen Satz?
Achilles: Ach ja. Deshalb habe ich es ja herausgenommen, nicht wahr? Ich will im Sachregister nachschauen, unter „Erst“. Könnte es Nr. 314158 auf Seite 23579 sein? Mal sehen ... Ach ja, da haben wir's:
Erst wägen, dann wagen.
Das scheint Ihre Äußerung Buchstabe um Buchstabe wiederzugeben, so muß ich sie wohl als wahr annehmen. Schmitz und Fritz irren sich nie.
Schildkröte: Gut. So haben wir also zwei gültige Aussagen: Sollen wir also blindlings draufloslegen und sie mit „und“ verbinden?
Achilles: Natürlich. Und wie bei der Addition die Reihenfolge keine Rolle spielt, so auch bei der Verbindung durch » und“.
Schildkröte: Schön. Also denn:
Erst wägen, dann wagen,
und
die Reihenfolge spielt keine Rolle.
Achilles: Waaas? Das ist ein Widerspruch in sich selbst. Wie kann die Reihenfolge des Wägens und Wagens keine Rolle spielen, besonders wenn sie eine Rolle spielt? Oh weh, was passiert denn da, Theo 5.? Zwei wahre Aussagen durch „und“ zu verbinden muss doch harmlos sein. Hier, in Fritz' und Schmitz' Buch, ich meine Schmitz' und Fritz' Buch, steht doch irgendwo — ich habe vergessen, wo ... (Er sucht verzweifelt nach der richtigen Seite.)
Schildkröte: „Harmlos“, meine Güte! Welche Anmaßung! Das ist gewiß eine schlimme Verschwörung, um einen armen, unschuldigen, schwerfälligen Schildkrötenveteranen bei einer fatalen Kontradiktion zu ertappen. Wenn es so harmlos wäre,warum versuchen Sie dann so verdammt hartnäckig, mich dazu zu bringen, es zu tun, he?
Achilles: Ich bin sprachlos. Sie machen, daß ich mir wie ein Schuft vorkomme, wo doch meine Beweggründe die allerunschuldigsten sind.
Schildkröte: Das glaubt jeder von sich ...
Achilles: Ich schäme mich, daß ich versucht habe, Sie zu übertölpeln, Wörter zu gebrauchen, um Sie in eine Selbst-Kontradiktion zu verwickeln. Ich komme mir ja so gemein vor.
Schildkröte: Und das sollen Sie auch! Ich weiß, worauf Sie hinauswollten. Ihr Plan war es, mich zur Annahme von Satz 3 zu zwingen, der da lautet: „Mein Panzer ist grün und mein Panzer ist nicht grün.“ Und eine solch schreiende Unwahrheit bringen Schildkröten nicht über ihre Zunge.
Achilles: Es tut mir leid, daß ich mit all dem angefangen habe.
Schildkröte: Kein Grund zur Besorgnis. Meine Gefühle sind nicht verletzt. Schließlich bin
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