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Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Titel: Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas R. Hofstadter
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gemäß De Morgans Regel, mit ~< P ∨ Q > auswechselbar, und die Interpretation wird lauten: „Es ist nicht wahr, daß entweder die Fahne oder der Wind sich bewegt.“ Und niemand könnte bestreiten, daß es eine vernünftige Schlußfolgerung, ein zensibler Schluß ist.
    Was die Weichenhain-Regel betrifft, so betrachte man den Satz: „Entweder hängt eine Wolke über dem Berg, oder der Mondschein durchdringt die Wellen des Sees“, der vielleicht von einem versonnenen Zenmeister hätte ausgesprochen werden können, der sich an einen ihm vertrauten See erinnert, den er sich vorstellen kann, den er aber nicht sieht. Nun halte man sich fest, denn die Weichenhain-Regel sagt uns, daß das mit dem Gedanken auswechselbar ist: „Wenn eine Wolke nicht über dem Berg hängt, dann durchdringt der Mondschein die Wellen des Sees.“ Das ist vielleicht keine große Erleuchtung, aber Besseres hat die Aussagenlogik nicht zu bieten.
Mit dem System spielen
    Wenden wir nun diese Regeln auf einen früheren S ATZ an und sehen, was dabei herauskommt. Nehmen wir zum Beispiel den S ATZ < P ⊃~~ P >:
< P ⊃~~ P >
alter S ATZ
<~~~ P ⊃~ P >
Kontrapositionsregel
<~ P ⊃~ P >
Regel der Doppeltilde
< P ∨~ P >
Weichenhain-Regel
    Wenn interpretiert, sagt dieser neue S ATZ aus:
    Entweder ist dieser Geist Buddha,
oder dieser Geist ist nicht Buddha.
    Wiederum ist der interpretierte S ATZ , wenn auch nicht gerade geistreich, zumindest wahr.
Halb-Interpretationen
    Wenn man aussagenlogische S ÄTZE laut liest, liegt es auf der Hand, alles außer den Atomen zu interpretieren. Ich nenne das Halb-Interpretation. Zum Beispiel wäre die Halb-Interpretation von < P ∨~ P >:
    P oder nicht P .
    Trotz der Tatsache, daß P keine Aussage ist, klingt die obige Halb-Aussage doch wahr, weil man sich leicht vorstellen kann, daß man irgendeine Aussage für P einsetzt — und die Form dieses halbinterpretierten S ATZES gibt uns Gewähr, daß die sich so ergebende Aussage wahr sein wird, welche Wahl man auch immer trifft. Das ist die Grundidee der Aussagenlogik: Sie erzeugt S ÄTZE , die sich, wenn halb-interpretiert, als „allgemein wahre Halb-Aussagen“ erweisen, und das bedeutet, daß ihre Interpretation, wie immer man sie vervollständigt, im Endergebnis immer wahr sein wird.
Gantōs Axt
    Nun können wir uns an eine Übung für Fortgeschrittene machen, die auf einem Zen-Kōan namens „Gantōs Axt“ beruht. Der Anfang lautet:
    Eines Tages sagte Tokusan zu seinem Schüler Gantō: „Ich habe zwei Mönche, die schon seit vielen Jahren hier sind. Geh hin und prüfe sie.“ Gantō nahm eine Axt und begab sich zu der Hütte, in der die zwei Mönche meditierten. Er hob die Axt und sprach: „Wenn ihr ein Wort sagt, werde ich euch die Köpfe abhauen, und wenn ihr kein Wort sagt, werde ich euch ebenfalls die Köpfe abhauen.“ 1
    Wenn Sie ein Wort sagen, werde ich diesen Kōan abbrechen, und wenn Sie kein Wort sagen, werde ich diesen Kōan ebenfalls abbrechen — weil ich einen Teil davon in unser Notationssystem übersetzen möchte. Stellen wir „ihr sagt ein Wort“ durch P dar, und „ich werde euch die Köpfe abhauen“ durch Q , dann ist Gantōs Drohung mit der Axt durch die Kette << P ⊃ Q >∧<~ P ⊃ Q >> dargestellt. Was, wenn diese Drohung mit der Axt ein Axiom wäre? Hier eine Fantasie, die diese Frage beantwortet:
1)
[
push
2)
<< P ⊃ Q >∧<~ P ⊃ Q >>
Gantōs Axiom
3)
< P ⊃ Q >
Trennungsregel
4)
<~ Q ⊃~ P >
Kontrapositionsregel
5)
<~ P ⊃ Q >
Trennungsregel
6)
<~ Q ⊃~~ P >
Trennungsregel
7)
[
push abermals
8)
~ Q
Voraussetzung
9)
<~ Q ⊃~ P >
Übernahme von Zeile 4
10)
~ P
Abtrennungsregel
11)
<~ Q ⊃~~ P >
Übernahme von Zeile 6
12)
~~ P
Abtrennungsregel (Zeilen 8 und 11)
13)
<~ P ∧~~ P >
Verbindungsregel
14)
~< P ∨~ P >
De Morgans Regel
15)
]
einmal poppen
16)
<~ Q ⊃~< P ∨~~ P >>
Fantasieregel
17)
<< P ∨~ P >⊃ Q >
Kontrapositionsregel
18)
[
push
19)
~ P
Voraussetzung (zugleich Ergebnis)
20)
]
poppen
21)
<~ P ⊃~ P >
Fantasieregel
22)
< P ∨~ P >
Weichenhain-Regel
23)
Q
Abtrennungsregel (Zeilen 22 und 17)
24)
]
herauspoppen
    Das Beispiel zeigt die Leistungsfähigkeit der Aussagenlogik. Haben wir nicht in nur zwei Dutzend Schritten Q abgeleitet: daß die Köpfe abgetrennt werden! (Ominöserweise war die letzte angewandte Regel die der „Abtrennung“ ...) Es mag überflüssig erscheinen, den Kōan weiter zu verfolgen, da wir ja wissen, was geschehen muß ... Doch will ich meinen Entschluß, den Kōan abzubrechen,

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