Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Titel: Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas R. Hofstadter
Vom Netzwerk:
verfehlt so den Weg.
    Hier ein Kōan, der den Kampf gegen Wörter zeigt: 5
    Kōan:
    Shuzan hielt seinen kurzen Stock hoch und sagte: „Wenn ihr das einen kurzen Stock nennt, so widersprecht ihr seiner Wirklichkeit; wenn ihr das nicht einen kurzen Stock nennt, so ignoriert ihr die Tatsache. Wie wollt ihr es also nennen?“
    Mumons Kommentar:
    Wenn ihr das einen kurzen Stock nennt, so seid ihr im Widerspruch mit seiner Wirklichkeit. Wenn ihr das nicht einen kurzen Stock nennt, so ignoriert ihr die Tatsache. Es kann nicht mit Worten ausgedrückt werden, und es kann nicht ohne Worte ausgedrückt werden. Nun sagt schnell, was es ist.
    Mumons Gedicht:
    Indem er den kurzen Stock hochhielt,
    Gab er einen Befehl auf Leben und Tod.
    Positiv oder negativ ineinander verwoben,
    Es geht um das Leben selbst der Buddhas und Patriarchen.

    Abb. 49 . Tag und Nacht , von M. C. Escher (Holzschnitt, 1938).
    („Patriarchen“ bezieht sich auf die sechs ehrwürdigen Begründer des Zen-Buddhismus, von denen Bodhidharma der erste und Enō der sechste war.)
    Warum widersetzt man sich der Wirklichkeit, wenn man den kurzen Stock so bezeichnet? Wahrscheinlich, weil eine solche Kategorisierung den Anschein erweckt, man habe die Wirklichkeit eingefangen, während man doch mit einer solchen Aussage noch nicht einmal die Oberfläche angekratzt hat. Man könnte sie mit der Aussage „5 ist eine Primzahl“ vergleichen. Es gibt noch viel mehr — eine Unendlichkeit an Tatsachen — das weggelassen wurde. Wenn man ihn auf der einen Seite nicht als Stock bezeichnet, dann ignoriert man tatsächlich eine spezifische Tatsache, so winzig sie auch sein mag. So führen die Wörter zu einer gewissen Wahrheit — und vielleicht auch zu einer gewissen Unwahrheit —, aber sicher nicht zur ganzen Wahrheit. Verläßt man sich auf Wörter, um zu einer Wahrheit zu gelangen, dann ist das, wie wenn man sich darauf verließe, daß einen ein unvollständiges formales System zur Wahrheit führt. Ein formales System liefert gewisse Wahrheiten, aber wie wir bald sehen werden, kann ein formales System, so mächtig es auch sein möge, nicht zu allen Wahrheiten führen. Das Dilemma der Mathematiker lautet: worauf kann man sich verlassen außer auf formale Systeme? Und das Dilemma der Zen-Leute lautet: worauf kann man sich verlassen außer auf Wörter? Mumon spricht dieses Dilemma sehr klar aus: „Es kann nicht mit Wörtern und es kann nicht ohne Wörter ausgedrückt werden.“
    Hier noch einmal Nansen: 6
    Jōshū fragte den Lehrer Nansen: „Was ist der wahre Weg?“
    Nansen antwortete: „Der alltägliche Weg ist der wahre Weg.“
    Jōshū fragte: „Kann ich ihn studieren?“

Abb. 50 . Hülle , von M C. Escher (Holzschnitt, 1955).
    Nansen antwortete: „Je mehr du studierst, um so weiter vom Weg.“ Jōshū fragte: „Wenn ich ihn nicht studiere, wie kann ich ihn dann erkennen?“ Nansen antwortete: „Der Weg gehört weder den gesehenen Dingen an, noch den ungesehenen. Er gehört weder zu den bekannten Dingen, noch zu den unbekannten. Suche ihn nicht, studiere ihn nicht, benenne ihn nicht. Um Dich auf ihm zu finden, öffne Dich soweit wie der Himmel.“ [Siehe Abb. 50]
    Diese kuriose Aussage strotzt vor Paradoxien. Sie erinnert ein bißchen an die unfehlbare Kur gegen Schluckauf: „Halt' die Luft an, zähl' bis sieben und denk' dabei nicht an das, was Du vor drei Tagen gegessen hast.“ Zen ist eine Philosophie, die sich anscheinend der Vorstellung verschrieben hat, daß der Weg zur letzten Wahrheit, wie die einzige unfehlbare Kur gegen Schluckauf, voller Paradoxien ist.
Ismus, der Un-Modus und Unmon
    Wenn Wörter schlecht sind und Denken schlecht ist, was ist dann gut? Natürlich ist diese Frage bereits schrecklich dualistisch, aber wir geben ja nicht vor, daß wir bei unserer Diskussion über Zen Zen treu blieben. Deshalb können wir versuchen, die Frage ernsthaft zu beantworten. Ich habe einen Namen für das, wonach Zen strebt: Ismus. Ismus ist eine Anti-Philosophie, eine Art zu sein, ohne zu denken. Die Meister des Ismus sind Felsen, Bäume, Muscheln, aber das Schicksal der höheren Tierarten ist es, nach Ismus streben zu müssen, ohne ihn jemals völlig erreichen zu können. Indessen werden einem gelegentlich flüchtige Eindrücke von Ismus zuteil. Vielleicht bietet der nachstehende Kōan solch einen Eindruck: 7
    Hyakujō wollte einen Mönch aussenden, der ein neues Kloster eröffnen sollte. Er sagte seinen Schülern, daß, wer die folgende Frage am besten

Weitere Kostenlose Bücher