Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
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In diesem Gedicht sagt Mumon offensichtlich etwas für Zen Zentrales und macht keine idiotische Aussage. Merkwürdigerweise ist das Gedicht jedoch selbstbezüglich, und so ist es nicht nur ein Kommentar zu Nansens Worten, sondern auch zu seiner eigenen Wirkungslosigkeit. Paradoxien dieser Art sind sehr charakteristisch für Zen. Sie sind ein Versuch, „die Logik des Geistes zu brechen“. Diese paradoxe Qualität sieht man auch im Kōan. Was Mumons Kommentar angeht, glaubt der Leser, daß Nansen wirklich seiner Antwort so sicher war? Oder war die „Richtigkeit“ der Antwort überhaupt gar nicht wichtig? Oder spielt Richtigkeit im Zen überhaupt eine Rolle? Was ist der Unterschied zwischen Richtigkeit und Wahrheit? Gibt es überhaupt einen? Und wenn Nansen gesagt hätte: „Nein, eine solche Lehre gibt es nicht?“ Hätte das einen Unterschied gemacht? Wäre seine Bemerkung in einem Kōan verewigt worden?
Hier ein wichtiger Kōan, mit dem die Logik des Geistes gebrochen werden sollte: 4
Der Student Doko kam zu einem Zen-Meister und sagte: „Ich suche die Wahrheit. In welchem Geisteszustand muß ich mich üben, damit ich sie finde?“
Der Meister sprach: „Es gibt keinen Geist, also kannst Du ihn auch nicht in einen Zustand versetzen. Es gibt keine Wahrheit, also kannst du dich nicht in ihr üben.“
„Wenn es keinen Geist zu üben und keine Wahrheit zu finden gibt, warum hast Du all diese Mönche, die sich jeden Tag vor Dir versammeln, um Zen zu studieren und sich in diesen Studien zu üben?“
„Aber ich habe doch nicht einen Zoll Platz hier“ sprach der Meister, „wie könnten sich also die Mönche versammeln? Ich habe keine Zunge, wie könnte ich sie also regelmäßig zusammenrufen und sie unterweisen?“
„Oh, wie kannst Du nur so lügen?“ fragte Doko.
„Wenn ich aber keine Zunge besitze, mit der ich zu anderen reden könnte, wie kann ich dich dann anlügen?“ fragte der Meister.
Darauf sagte Doko traurig: „Ich kann Dir nicht folgen, ich kann Dich nicht verstehen.“
„Ich kann mich selbst nicht verstehen“, sagte der Meister.
Wenn es einen verwirrenden Kōan gibt, dann diesen. Und höchstwahrscheinlich ist Verwirrung zu stiften gerade sein Zweck. Denn wenn man sich in einem Zustand der Verwirrung befindet, beginnt das Gehirn bis zu einem gewissen Grad, nicht-logisch zu operieren. Nur wenn man aus der Logik aussteigt, so lautet die Theorie, kann man den Sprung in die Erleuchtung tun. Aber was ist denn so schlecht an der Logik? Warum verhindert sie den Sprung in die Erleuchtung?
Zens Kampf gegen den Dualismus
Um das zu beantworten, muß man etwas darüber wissen, was Erleuchtung ist. Die knappste Zusammenfassung wäre wohl: Überwindung des Dualismus. Was aber ist Dualismus? Es ist die begriffliche Aufspaltung der Welt in Kategorien. Ist es möglich, diese ganz natürliche Tendenz zu überwinden? Wenn ich dem Wort „Aufspaltung“ das Wort „begrifflich“ voranstellte, habe ich vielleicht den Eindruck geweckt, daß dies eine intellektuelle oder bewußte Anstrengung ist, und daß man den Dualismus ganz einfach damit überwinden könnte, daß man das Denken unterdrückt (als ob die Unterdrückung des Denkens tatsächlich einfach wäre!). Doch findet das Auseinanderbrechen der Welt in Kategorien weit unterhalb der höheren Schichten des Denkens statt. In der Tat ist der Dualismus genauso sehr eine perzeptionelle Aufteilung der Welt in Kategorien, als er eine konzeptionelle ist. In anderen Worten: die menschliche Wahrnehmung ist ihrer Natur nach ein dualistisches Phänomen — und das macht die Suche nach Erleuchtung, milde ausgedrückt, zu einem steinigen Weg.
An der Wurzel des Dualismus, sagt Zen, sind Wörter — bloß einfache Wörter. Der Gebrauch von Wörtern ist seinem Wesen nach dualistisch, da jedes Wort ganz offensichtlich eine begriffliche Kategorie repräsentiert. Deshalb besteht ein großer Teil von Zen aus dem Kampf dagegen, daß man sich auf Wörter verläßt. In diesem Kampf ist eine der besten Waffen der Kōan, in dem die Wörter so radikal mißbraucht werden, daß einen der Schwindel überkommt, wenn man den Kōan ernst nimmt. Und es ist vielleicht falsch zu sagen, daß der Feind der Erleuchtung die Logik ist, vielmehr ist es das dualistische Denken in Wörtern. Es liegt sogar noch tiefer: Es ist die Wahrnehmung. Sobald man ein Objekt wahrnimmt, zieht man einen Strich zwischen diesem Objekt und der übrigen Welt: man spaltet die Welt künstlich in Teile, und
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