Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
einfach ein Wort, aber was für ein wichtiges: „MU“!
(In dem Augenblick, in dem er das sagt, fällt die vierte Stimme der gerade laufenden Fuge ein, genau eine Oktave unter der ersten Stimme.)
Achilles: Oh Herr S., diesmal haben Sie mich aber enttäuscht. Ich war sicher, daß Sie, die Sie immer so tief in die Dinge hineinsehen, fähig wären, dies Dilemma zu klären — aber anscheinend haben Sie auch nicht weiter gesehen als ich. Nun, ich sollte wohl zufrieden sein, daß ich wenigstens dieses eine Mal so weit wie Herr Schildkröte gesehen habe.
Schildkröte: Verzeihen Sie, aber meine Augen sind noch sehr scharf. Schauen Sie bitte noch einmal hin, und dann sagen Sie, ob das Bild nicht das sagt, was ich sagte, daß es sagt.
Achilles: Aber natürlich tut es das! Sie haben einfach meine eigene ursprüngliche Bemerkung wiederholt.
Schildkröte: Vielleicht existiert „MU“ in diesem Bild auf einer tieferen Stufe, als Sie glauben, Achilles — eine Oktave tiefer (bildhaft gesprochen). Aber im Augenblick bezweifle ich, ob wir die Meinungsverschiedenheit abstrakt beilegen können. Ich möchte, daß man mir sowohl den holistischen als auch den reduktionistischen Gesichtspunkt etwas ausführlicher darlegt, dann haben wir eine bessere Entscheidungsgrundlage. Ich hätte zum Beispiel sehr gerne eine reduktionistische Beschreibung einer Ameisenkolonie.
Krebs: Vielleicht erzählt Ihnen Herr Dr. Ameisenbär etwas von seinen diesbezüglichen Erfahrungen. Schließlich ist er von Berufs wegen ein Fachmann in diesem Bereich.
Schildkröte: Ich bin sicher, daß ich viel von Ihnen lernen kann, Dr. Ameisenbär. Könnten Sie uns mehr über Ameisenkolonien berichten — von einem reduktionistischen Standpunkt aus?
Ameisenbär: Gern. Wie Herr Krebs erwähnte, habe ich durch meinen Beruf ein sehr tiefes Verständnis der Ameisenkolonien erlangt.
Achilles: Das glaube ich gern! Der Beruf eines Ameisenbären ist doch wohl synonym damit, daß man ein Fachmann für Ameisenkolonien ist!
Ameisenbär: Verzeihen Sie! ,,Ameisenbär“ ist nicht mein Beruf, es ist meine Spezies. Von Beruf bin ich ein Koloniechirurg. Ich bin auf die Heilung nervöser Störungen der Kolonie mittels chirurgischer Eingriffe spezialisiert.
Achilles: Ah, ich verstehe. Aber was meinen Sie mit „nervösen Störungen“ in einer Ameisenkolonie?
Ameisenbär: Die meisten meiner Klienten leiden an einer Art Sprachstörung. Wissen Sie, Kolonien, die in alltäglichen Situationen nach Wörtern suchen müssen. Das kann recht tragisch sein. Ich versuche, Abhilfe zu schaffen, indem ich den schadhaften Teil der Kolonie — äh — entferne. Diese Eingriffe sind manchmal sehr kompliziert, und natürlich braucht es jahrelanges Studium, bis man sie ausführen kann.
Achilles: Aber ist es nicht so, daß man sprechen können muß, bevor man unter Sprachstörungen leiden kann?
Ameisenbär: Richtig.
Achilles: Da Ameisenkolonien diese Fähigkeit nicht besitzen, bin ich ein bißchen konfus.
Krebs: Zu schade, Achilles, daß Sie nicht letzte Woche hier waren, als Dr. Ameisenbär und Tante Colonia meine Hausgäste waren. Ich hätte daran denken sollen, Sie einzuladen.
Achilles: Ist Tante Colonia Ihre Tante, Herr Krebs?
Krebs: Oh nein, sie ist eigentlich niemandes Tante.
Ameisenbär: Aber die gute alte Frau besteht darauf, daß jedermann sie so nennen solle, sogar Fremde. Einfach eine ihrer vielen liebenswürdigen Marotten.
Krebs: Ja, Tante Colonia ist recht exzentrisch, aber so ein fröhliches Gemüt. Es ist wirklich schade, daß Sie letzte Woche nicht hier waren, um sie kennenzulernen.
Ameisenbär: Sie ist sicher eine der gebildetsten Ameisenkolonien, die zu kennen ich jemals das Vergnügen hatte. Wir zwei verbrachten so manchen langen Abend mit Gesprächen über eine Unzahl von Themen.
Achilles: Ich dachte, Ameisenbären seien Vertilger von Ameisen, nicht Förderer von Kolonialfragen.
Ameisenbär: Nun, diese beiden Dinge vertragen sich schon miteinander. Ich stehe mit Ameisenkolonien auf sehr gutem Fuß. Fressen tue ich nur A MEISEN und nicht Kolonien; und das ist für beide Teile gut, für mich und die Kolonie.
Achilles: Wie ist es möglich, daß ...
Schildkröte: Wie ist es möglich, daß ...
Achilles: ... es einer Kolonie gut tut, wenn man ihre Ameisen verzehrt?
Krebs: Wie ist es möglich, daß ...
Schildkröte: ... es einem Wald gut tut, wenn ein Waldbrand wütet?
Ameisenbär: Wie ist es möglich, daß ...
Krebs: ... es einem Baum gut tun kann, wenn seine Äste
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