Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
Identifikation. Das Stück links ist aus vielen Kopien des einen Wortes „R EDUKTIONISMUS “ zusammengesetzt, und das Stück rechts besteht aus einer einzigen Kopie in großen Buchstaben desselben Wortes. Warum die Buchstaben in beiden Teilen verschieden groß sind, weiß ich nicht, aber ich weiß, was ich sehe, und was ich sehe ist „R EDUKTIONISMUS “, sonnenklar. Wie Sie etwas anderes sehen können, verstehe ich nicht.
Abb. 60 . [Zeichnung Günther Bosch, nach einer Vorlage des Autors.]
Achilles: Ich weiß, was hier los ist. Jeder von Ihnen hat Buchstaben gesehen, die andere Buchstaben darstellen, oder aus anderen Buchstaben zusammengesetzt sind. Im linken Teilstück gibt es in der Tat drei „H OLISMUS “, aber jeder ist aus kleineren Kopien des Wortes „R EDUKTIONISMUS “ zusammengesetzt. Und in Ergänzung dazu ist im Teilstück rechter Hand ein „R EDUKTIONISMUS “, aber er ist zusammengesetzt aus kleinen Kopien des Wortes „H OLISMUS “. Nun, das ist alles schön und recht, aber vor lauter dummem Zanken haben Sie beide den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen. Was nützt es denn darüber zu streiten, ob „H OLISMUS “ oder „R EDUKTIONISMUS “ richtig ist, wenn doch der richtige Weg zum Verständnis darin besteht, die Frage zu transzendieren, indem man „MU“ antwortet?
Krebs: Ich sehe nun das Bild, wie Sie es beschrieben haben, Achilles, aber ich habe keine Ahnung, was Sie mit dem seltsamen Ausdruck „die Frage transzendieren“ meinen.
Ameisenbär: Ich sehe nun das Bild, wie Sie es beschrieben haben, Achilles, aber ich habe keine Ahnung, was Sie mit dem seltsamen Ausdruck „MU“ meinen.
Achilles: Ich werde Ihnen beiden gerne den Gefallen tun, wenn Sie zuerst so freundlich sind, mir zu sagen, was diese seltsamen Ausdrücke „H OLISMUS “ und „R EDUKTIONISMUS “ bedeuten.
Krebs: Nichts ist so leicht zu begreifen wie „H OLISMUS “. Es ist einfach der Glaube, daß „das Ganze größer ist als die Summe seiner Teile“. Keiner, der recht darüber nachdenkt, könnte Holismus verwerfen.
Ameisenbär: Nichts ist so leicht zu begreifen wie „R EDUKTIONISMUS “. Es ist einfach der Glaube, daß „ein Ganzes vollständig begriffen werden kann, wenn man seine Teile und die Natur ihrer ‚Summe' versteht“. Keine, die link darüber nachdenkt, könnte Reduktionismus verwerfen.
Krebs: Ich verwerfe den Reduktionismus. Ich fordere Sie heraus, mir zum Beispiel zu sagen, wie man das Gehirn reduktionistisch verstehen kann. Jegliche reduktionistische Erklärung eines Gehirns würde bei weitem nicht ausreichen, zu erklären, woher das vom Gehirn erfahrene Bewußtsein kommt.
Ameisenbär: Ich verwerfe den Holismus. Ich fordere Sie heraus, mir zum Beispiel zu sagen, wie eine holistische Beschreibung einer Ameisenkolonie mehr Licht auf diese wirft, als es eine Beschreibung der sie bewohnenden Ameisen, ihrer Rollen und ihrer gegenseitigen Beziehungen tut. Jegliche holistische Erklärung einer Ameisenkolonie wird bei weitem nicht ausreichen, zu erklären, woher das von einer Ameisenkolonie erfahrene Bewußtsein kommt.
Achilles: Oh nein! Nichts lag mir so fern, als eine neue Auseinandersetzung vom Zaun zu brechen. Auf jeden Fall begreife ich jetzt den Streit, und glaube, daß meine Erklärung von „MU“ äußerst hilfreich sein wird. Sehen Sie, „Mu“ ist eine alte Zen-Antwort, die, wenn sie auf eine Frage gegeben wird, die Frage „unfragt“. Hier ist doch wohl die Frage die: „Sollte man die Welt mit Hilfe von Holismus oder Reduktionismus verstehen?“ Und die Antwort „MU“ lehnt die Voraussetzungen der Frage ab, nämlich daß das eine oder das andere gewählt werden muß. Indem man die Frage unfragt, offenbart sie eine umfassendere Wahrheit: daß eseinen größeren Zusammenhang gibt, in den sowohl die holistische wie die reduktionistische Erklärung paßt.
Ameisenbär: Absurd! Ihr „MU“ ist so albern wie das Muh einer Kuh. Ich will mit diesem ganzen Zen-Wischiwaschi nichts zu tun haben.
Krebs: Lächerlich! Ihr „MU“ ist so albern wie das Miau einer Katze. Ich will mit diesem ganzen Zen-Waschiwischi nichts zu tun haben.
Achilles: Oh weh! Damit kommen wir nirgends hin. Warum sind Sie so seltsam still geblieben, Herr Schildkröte? Das ist mir unbehaglich. Sicher können Sie uns doch helfen, diesen Schlamassel zu entwirren.
Schildkröte: Ich weiß, Sie werden mir nicht glauben, aber die Antwort auf die Frage starrt uns allen ins Gesicht. Sie ist im Bild versteckt. Es ist
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