Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
„Speicher“ (Gedächtnis) wie auch eine „Mühle“ (eine kalkulierende und Entscheidungen fällende Einheit) enthalten. Diese Einheiten sollten aus Tausenden von kunstvoll verzahnten Zylindern bestehen, die in unglaublich komplexer Weise ineinandergriffen. Babbage stellte sich Zahlen vor, die unter der Kontrolle eines auf Lochkarten eingestanzten Programms in die Mühle hinein und wieder aus ihr heraus wirbelten. Die Idee, Lochkarten zu verwenden, gab Babbage der Jacquard-Webstuhl, ein von Karten kontrollierter Webstuhl, der erstaunlich komplizierte Muster hervorbrachte. Babbages brillante, aber unglückliche gräfliche Freundin, Lady Ada Lovelace (Lord Byrons Tochter), sagte poetisch: „Die ,Analytical Engine' webt algebraische Muster wie der Jacquard-Webstuhl Blumen und Blätter.“ Leider ist ihr Gebrauch des Präsens irreführend, weil nie eine A.E. gebaut wurde, und Babbage starb als bitter enttäuschter Mann.
Lady Lovelace war sich nicht weniger als Babbage sehr wohl der Tatsache bewußt, daß mit der Erfindung der Analytical Engine die Menschheit mit der mechanisierten Intelligenz flirtete, besonders wenn die Maschine imstande sein sollte, „sich in den eigenen Schwanz zu beißen“ (so beschrieb Babbage die Seltsame Schleife, die entsteht, wenn eine Maschine eingreift und ihr eigenes Programm ändert. In einer Denkschrift aus dem Jahre 1842 5 schrieb Ada Lovelace, die A.E. könne vielleicht „andere Dinge außer Zahlen bearbeiten“. Während Babbage davon träumte, einen Schach- oder „Tick-Tack"-Automaten zu konstruieren, schlug sie vor, daß diese Maschine, wenn man Tonhöhen und Harmonien auf die sich drehenden Zylinder übertrage, „umfangreiche und auf wissenschaftliche Weise erzeugte Musikstücke jeder Komplexität und Länge komponieren könnte“. Aber fast im selben Atemzug warnt sie, daß „die Analytical Engine nicht den Anspruch erhebt, irgendetwas zu schaffen. Sie kann das tun, was immer wir ihr zu befehlen wissen.“ Wenn sie auch die großen Möglichkeiten künstlichen Rechnens sehr wohl verstand, war Lady Lovelace skeptisch, was die künstliche Schaffung von Intelligenz betrifft. Konnte ihr scharfer Verstand sich jedoch träumen lassen, was für Möglichkeiten sich mit der Zähmung der Elektrizität ergaben?
In unserem Jahrhundert war die Zeit für den Computer reif, einen Computer, von dem Pascal, Leibniz, Babbage und Lady Lovelace sich nichts hätten träumen lassen. In den Dreißiger- und Vierzigerjahren wurden die ersten „bombastischen elektronischen Gehirne“ entworfen und gebaut. Sie wirkten als Katalysatoren für den Zusammenschluß dreier bisher verschiedenartiger Bereiche: der Theorie des axiomatischen Schließens, des Studiums mechanischer Berechnung und der Psychologie der Intelligenz.
In denselben Jahren entwickelte sich die Theorie der Computer sprunghaft. Sie war eng mit der Metamathematik verknüpft. So findet Gödels Satz seine von Alan Turing entdeckte Entsprechung in der Computertheorie. Sie zeigt, daß sogar im mächtigsten Computer, den man sich vorstellen kann, nicht zu vermeidende „Löcher“ sind. Ironischerweise wurden gerade, als diese etwas unheimlichen Grenzen ausgelotet wurden, Computer gebaut, deren Kräfte zu wachsen und immer weiter über das Vorstellungsvermögen der Hersteller hinauszuwachsen schienen. Babbage, der einmal erklärte, daß er gerne auf den Rest seines Lebens verzichten wolle, wenn er in fünfhundert Jahrenauf die Erde zurückkommen und eine dreitägige Führung durch die Wissenschaft des neuen Zeitalters mitmachen könne, wäre wahrscheinlich schon hundert Jahre nach seinem Tod sprachlos gewesen — sowohl wegen den neuen Maschinen als auch wegen ihrer unerwarteten Beschränkungen.
In den Fünfzigerjahren schien es nur noch ein Katzensprung bis zur mechanisierten Intelligenz zu sein; und doch erhob sich hinter jeder überwundenen Schranke immer wieder eine andere, die die Schaffung einer wirklichen Denkmaschine verhinderte. Gab es für dieses mysteriöse Zurückweichen des Ziels einen tiefliegenden Grund?
Niemand weiß, wo die Grenze zwischen nichtintelligentem Verhalten und intelligentem Verhalten liegt; wahrscheinlich ist es sogar töricht zu sagen, daß eine scharf gezogene Grenze existiert. Aber sicherlich sind die folgenden Eigenschaften wesentliche Voraussetzungen für Intelligenz:
—
sehr flexibel auf die jeweilige Situation reagieren;
—
günstige Umstände ausnützen;
—
aus mehrdeutigen oder kontradiktorischen
Weitere Kostenlose Bücher