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Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Titel: Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas R. Hofstadter
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Objektsprache, noch der der Metasprache, noch der der Metametasprache usw. So wäre also gerade der Akt des Diskutierens der Theorie der krasseste Verstoß gegen sie, der möglich ist.
    Man könnte nun solche Theorien verteidigen, indem man sagte, daß sie auf formale Sprachen angewendet werden sollten und nicht auf die gewöhnliche informelle Alltagssprache. Das mag richtig sein, aber es zeigt, daß solche Theorien äußerst akademisch sind und wenig über Paradoxien aussagen, außer wenn diese in speziellen maßgeschneiderten Systemen auftauchen. Außerdem betont das Bestreben, Paradoxien um jeden Preis auszumerzen, insbesondere wenn es die Erschaffung von hochartifiziellen Formalismen bedingt, zu sehr eine biedere Widerspruchsfreiheit, und zu wenig das Verschrobene und Bizarre, das das Leben und die Mathematik erst interessant macht. Natürlich ist es wichtig zu versuchen, die Widerspruchsfreiheit aufrechtzuerhalten; wenn diese Anstrengung einen aber in eine bestürzend häßliche Theorie hineinzwingt, dann weiß man, daß etwas nicht stimmt.
    Derartige Probleme der mathematischen Grundlagenforschung führten dazu, daß man sich zu Beginn dieses Jahrhunderts lebhaft für die Kodifizierung menschlicher Denkweisen zu interessieren begann. Bei Mathematikern und Philosophen kamen ernsthafte Zweifel auf, ob selbst die konkretesten Theorien, wie z. B. die Erforschung der Ganzen Zahlen (Zahlentheorie), auf sicheren Grundlagen ruhten. Wenn Paradoxien mit solcher Leichtigkeit in der Mengenlehre auftauchen konnten — eine Theorie, deren Grundgedanke, nämlich der einer Menge, sicherlich durch seine Anschaulichkeit besticht —, könnten sie dann nicht auch in andern Bereichen der Mathematik vorhanden sein? Eine andere damit zusammenhängende Sorge war, daß logische Paradoxien wie die des Epimenides sich als der Mathematik innewohnend entpuppen und damit die gesamte Mathematik in Zweifel ziehen könnten. Das beunruhigte besonders diejenigen — und es gab ihrer viele —, die fest daran glaubten, daß die Mathematik ganz einfach ein Teil der Logik, oder umgekehrt, daß Logik ganz einfach ein Teil der Mathematik sei. Eben diese Frage: „Sind Logik und Mathematik bloß verschieden oder voneinander unabhängig?“ — war die Quelle zahlreicher Kontroversen.
    Die Erforschung der Mathematik selbst wurde als Metamathematik oder gelegentlichauch Metalogik bekannt, da Mathematik und Logik so eng miteinander verknüpft sind. Die dringlichste und vorrangige Aufgabe der Metamathematiker war die, die wahre Natur mathematischer Beweisführung zu bestimmen. Was ist ein zulässiges Verfahren, und was ein unzulässiges? Da das mathematische Denken immer in einer „natürlichen Sprache“ vor sich ging — z. B. auf Französisch oder Latein oder in irgendeiner anderen Sprache für normale Kommunikation —, gab es immer eine große Zahl möglicher Doppeldeutigkeiten. Wörter haben für verschiedene Menschen verschiedene Bedeutungen, rufen verschiedene bildliche Vorstellungen hervor usw. Es erschien vernünftig und sogar wichtig, eine einzige einheitliche Notation aufzustellen, mit der alle mathematische Arbeit geleistet werden konnte und vermöge derer zwei beliebige Mathematiker einen Streit darüber schlichten konnten, ob ein vorgeschlagener Beweis gültig oder ungültig sei. Das würde eine vollständige Kodifizierung aller allgemein akzeptierten Methoden logischen Denkens, zumindest soweit sie sich auf Mathematik bezogen, erfordern.
Widerspruchsfreiheit, Vollständigkeit, Hilberts Programm
    Das war das Ziel der Principia Mathematica, die die gesamte Mathematik, wohlgemerkt ohne Kontradiktionen (!), aus der Logik abzuleiten sich anheischig machten. Man bewunderte sie allgemein, aber niemand war sicher, daß 1. wirklich die gesamte Mathematik in der von Russell und Whitehead umrissenen Methode enthalten war oder daß 2. die angegebenen Methoden auch nur in sich selbst widerspruchsfrei waren. War es absolut klar, daß irgendwelche Mathematiker, die die Methoden von Russell und Whitehead anwandten, niemals zu widersprüchlichen Ergebnissen kommen konnten?
    Diese Frage quälte insbesondere den berühmten deutschen Mathematiker (und Metamathematiker) David Hilbert, der der Zunft der Mathematiker (und Metamathematiker) auf der ganzen Welt die folgende Herausforderung präsentierte: streng zu beweisen — vielleicht unter Anwendung eben der von Russell und Whitehead angewandten Methoden —, daß das in Principia Mathematica definierte

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